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Luftsicherheitsgesetz Luftsicherheitsgesetz: Köhler zweifelt Verfassungsmäßigkeit an

12.01.2005, 10:04

Berlin/dpa. - Mit seinen deutlichen Verfassungsbedenken gegen dasLuftsicherheitsgesetz hat Bundespräsident Horst Köhler in einerwichtigen Frage erneut Position gegen die Bundesregierung bezogen.

Köhler unterzeichnete am Mittwoch zwar das mit der rot-grünenMehrheit verabschiedete Gesetz, das dem Verteidigungsminister dieErlaubnis zum Abschuss von entführten Passagierflugzeugen im Falleines Terroranschlags gibt. Er regte aber wegen erheblicher Zweifeleine verfassungsrechtliche Prüfung an. Bayern kündigte daraufhinumgehend eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an. DieBundesregierung hält die Zweifel weiter für vollkommen unberechtigt.

Bereits vor zwei Monaten hatte das Staatsoberhaupt für Verstimmungbei der Bundesregierung gesorgt, nachdem er sich gegen die erwogeneVerschiebung des Einheitsfeiertags gewandt hatte. Nach AnsichtKöhlers wird beim Abschuss eines Flugzeugs im Entführungsfall «Lebenzugunsten anderen Lebens» geopfert. Nach bisher übereinstimmenderAuffassung sei eine solche Abwägung im Grundgesetz «unzulässig».

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) entgegnete: «Wir opfernnicht Leben zugunsten Leben anderer.» Eine Entscheidung stehe nur an,wenn zweifelsfrei feststehe, dass Menschen umkommen werden, weil ihrSchicksal bereits von Terroristen besiegelt sei. Dieverfassungsrechtliche Klärung könne nur allen willkommen sein.

Die Opposition, die Köhler ins Amt gebracht hatte, begrüßte dieEntscheidung. Da die Bundesregierung dazu eine Änderung desGrundgesetzes weiter ablehne, bleibe nur der Weg nach Karlsruhe,erklärte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). Angesichtsder schwerwiegenden Entscheidung, ob ein Flugzeug bei einerterroristischen Bedrohung abgeschossen werden solle, müsstenverfassungsrechtliche Zweifel ausgeräumt werden.

Auch der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte, er sei dafür,«jetzt für Klarheit zu sorgen». FDP-Chef Guido Westerwelle erklärte,seine Partei sehe sich mit ihren Bedenken bestätigt. Das Gesetz lege«die Axt an die Wurzel der Verfassung». Eine gesetzliche Abwägungzwischen dem Leben von Unschuldigen sei politisch undverfassungsrechtlich nicht akzeptabel.

Der FDP-Politiker und ehemalige Bundestagsvizepräsident BurkhardHirsch kündigte an, als Bürger Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetzeinzulegen. «Dieses Gesetz ist die Einführung des finalenRettungstotschlags», sagte Hirsch der dpa. «Der Staat gibt sich dasRecht, die Opfer einer Straftat zu töten, wenn derVerteidigungsminister meint, dass dies für alle besser sei», sagteder FDP-Politiker der dpa.

Das Gesetz ist vor dem Hintergrund der Terror-Anschläge vom 11.September 2001 und dem Zwischenfall vom 5. Januar 2003 überFrankfurt am Main entstanden, wo ein Flugzeug für geraume Zeit überdem Bankenviertel gekreist war.

Der Bundespräsident meldete auch verfassungsrechtliche Bedenkenan, ob die Bundeswehr überhaupt eine Kompetenz für ein solchesHandeln habe. Die Vorschrift über die Amtshilfe für Länder inKatastrophenfällen hält das Staatsoberhaupt für nicht ausreichend.Die Bundeswehr könne Amtshilfe nach bisherigen Rechtsgrundsätzen nurunter Leitung der zuständigen Landesbehörden und auf der Grundlagedes einschlägigen Landesrechts leisten, argumentierte er.

Im Grundsatz hält aber auch Köhler die übrigen Bestimmungen desGesetzes wegen der gesteigerten Bedrohungslage für dringenderforderlich. «Daher halte ich durch meine Entscheidung nicht die fürdie Abwehr von terroristischen Bedrohungen notwendigen zusätzlichenSicherheitsanforderungen auf», erklärte Köhler die Tatsache, dass ertrotz der Bedenken den Weg zur Verkündigung des Gesetzes freimachte.