Berliner Breitscheidplatz LKW rast am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg in Weihnachtsmarkt, neun Tote: Der Überblick zum möglichen Anschlag

Berlin - Nach dem Anschlag auf einem Berliner Weihnachtsmarkt fahndet die Bundesanwaltschaft öffentlich nach einem konkreten Verdächtigen.
Was wir bislang wissen
- Nach dem verdächtigen Tunesier Anis Amri (24) wird europaweit gefahndet. Die Bundesanwaltschaft bat die Öffentlichkeit um Mithilfe und schrieb für Hinweise eine Belohnung von 100.000 Euro aus.
- Amri kam im Juli 2015 nach Deutschland. Laut NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) tauchte er erst in Freiburg, dann in Nordrhein-Westfalen und schließlich in Berlin auf, wo er seit Februar 2016 überwiegend gelebt habe.
- Sein Asylantrag wurde im Juni dieses Jahres abgelehnt: Wegen fehlender gültiger Ausweispapiere konnte er nicht ausgewiesen werden. Er verwendete mehrere Alias-Namen und war als islamistischer Gefährder im Fokus mehrerer Behörden.
- Amri wurde in Berlin von März bis September dieses Jahres überwacht. Grund waren nach Angaben der Berliner Generalstaatsanwaltschaft Hinweise auf einen geplanten Einbruch, um Geld für den Kauf von Waffen zu beschaffen - „möglicherweise, um damit später mit noch zu gewinnenden Mittätern einen Anschlag zu begehen“.
- Hinweise auf ein staatsschutzrelevantes Delikt ergaben sich aber nicht. Die verdeckte Überwachung lieferte nur Hinweise, dass Amri als Kleindealer im Görlitzer Park tätig sein könnte - einem bekannten Drogen-Umschlagplatz in Berlin. Diese Erkenntnisse wurden laut Generalstaatsanwaltschaft zur Strafverfolgung den zuständigen Dienststellen weitergeleitet.
- Amri steht im Verdacht, am Montagabend den Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gesteuert und mindestens zwölf Menschen getötet zu haben. Rund 50 weitere Besucher des Marktes wurden verletzt, viele lebensbedrohlich. Die Ermittler gehen von einem Terroranschlag aus.
- Ein unmittelbar nach der Tat festgenommener Verdächtiger wurde am Dienstagabend wieder freigelassen. Laut Bundesanwaltschaft in Karlsruhe reichten die Ermittlungsergebnisse für einen dringenden Tatverdacht nicht aus.
- Fast genau 24 Stunden nach dem Anschlag reklamierte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) den Angriff für sich. Die Botschaft wurde über das IS-Sprachrohr Amak im Internet verbreitet.
- Zu den zwölf Todesopfern gehört auch der ursprüngliche Speditionsfahrer aus Polen - es handelt sich um den Cousin des Firmeneigentümers Ariel Zurawski, der sein Unternehmen in der Nähe von Stettin hat.
Was wir nicht wissen
- Was ist mit den Hinweisen zu den Dealer-Aktivitäten geschehen, die die Berliner Generalstaatsanwaltschaf an die zuständigen Behörden weitergegeben haben?
- Wo ist Amri nach dem Ende der Observation in Berlin im September abgeblieben? Die „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR berichten, er sei im Dezember untergetaucht.
- Medien berichteten, dass seine Papiere im Fußraum des Lastwagens gefunden wurden. Wie kamen sie dorthin? Wurden sie absichtlich abgelegt - als Bekenntnis oder falsche Fährte? Oder gingen sie im Kampf mit dem polnischen Speditionsfahrer verloren, dessen Leiche auf dem Beifahrersitz gefunden wurde?
- Unklar ist, was in den letzten Stunden im Leben des eigentlichen Lkw-Fahrers geschehen ist. Die „Bild“-Zeitung meldet unter Berufung auf Obduktionsergebnisse, er habe bis zum Attentat noch gelebt. Ein Ermittler habe von einem Kampf gesprochen. Die Rede ist auch von Messerstichen. Nach dpa-Informationen wurde er mit einer kleinkalibrigen Waffe erschossen. Spekuliert wird auch, ob der Fahrer dem Täter ins Lenkrad gegriffen hatte.
- Ebenfalls unklar ist, wie genau sich der Täter des Lastwagens bemächtigte. Polnische Medien berichten unter Berufung auf die Spedition von GPS-Daten, die zeigten, dass der Wagen in Berlin am Tag der Tat ab etwa 16 Uhr mehrmals gestartet worden sei. Um diese Uhrzeit riss der Kontakt zwischen Spedition und Fahrer ab,
- Was ist davon zu halten, dass nach Angaben des NRW-Innenministers die für eine Abschiebung notwendigen Ausweispapiere aus Tunesien erst am Mittwoch, zwei Tage nach der Bluttat, in Deutschland eintrafen?
- Nach wie vor ist unklar, ob ein oder mehrere Täter hinter dem Anschlag stecken, ob der oder die Täter von außen gesteuert oder aus eigener Initiative gehandelt haben.
- Die Echtheit der IS-Behauptung, dass die Terror-Miliz verantwortlich für den Anschlag ist, lässt sich nicht verifizieren. Sie wurde aber über die IS-Kanäle im Internet verbreitet, die schon nach früheren IS-Anschlägen verwendet wurden.
- Das Schicksal ausländischer Vermisster - darunter eine Italienerin und eine Israelin - ist noch ungewiss. (dpa)