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Kommentar zum Kanzlerkandidaten Laschet rumpelt an die Spitze

Kai Gauselmann bewertet die Kür des Kanzlerkandidaten der Union.

Aktualisiert: 20.4.2021, 19:19

Halle (Saale) - Was die Kandidaten-Kür angeht, sieht die Union im Vergleich zu den Grünen ganz schön alt aus. Am Ende eines mehrmonatigen, strukturierten und zumindest nach außen hin sachlich-harmonischen Verfahrens schicken die Grünen die unumstrittene Annalena Baerbock ins Rennen - eine junge Frau und Mutter, die schon alleine deswegen im Vergleich zur Konkurrenz ein Alleinstellungsmerkmal ist.

CDU und CSU präsentieren hingegen nach einem wochenlangen, wilden und unstrukturiert wirkenden Hauen und Stechen Armin Laschet - der ist als mittelalter, ordentlich verheirateter Familienvater aus dem Westen so etwas wie der Durchschnittstyp der Bundespolitik. So weit, so gut, so oberflächlich der erste Blick.

Der zweite zeigt: Die Nominierungen bei den Schwarzen und den Grünen zu vergleichen, ist wegen der zeitlichen Nähe verführerisch, ist aber nicht ganz fair. Die Grünen sind im Wahlkampf zwar besser aus den Startlöchern gekommen - ihr Spitzenpersonal hat im Grunde aber auch schon seit Monaten in Ruhe darauf hinarbeiten können und musste sich nicht zwischendurch mit Dingen wie dem Krisenmanagement einer Pandemie beschäftigen.

Bei der Union endet mit Angela Merkels noch nicht vollzogenem Abgang eine Ära. Die Kanzlerin hat ihre Nachfolge nicht langfristig regeln können oder wollen, so mussten sich neue Machtverhältnisse aus der Partei erst etablieren - bei laufendem Regierungsbetrieb: Viele Beteiligte, von Laschet über den Konkurrenten Markus Söder (CSU) sowie Gremiumsmitgliedern wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn?(CDU) und einer Reihe von Ministerpräsidenten, haben seit mehr als einem Jahr vor allem damit zu tun, hauptamtlich gegen die Corona-Pandemie zu kämpfen. Vor diesem Hintergrund relativiert sich das Nominierungsgerumpel. Es könnte sich aber noch zu einem echten Problem für den Wahlkampf auswachsen, stellt die Union nicht rasch Geschlossenheit und Wahlkampfbereitschaft her. Für beides bleibt nur wenig Zeit.

Denn die sachsen-anhaltische Landtagswahl ist die letzte vor der Bundestagswahl - der Urnengang am 6. Juni ist also der letzte echte Stimmungstest. Und spätestens nach den Masken- und Korruptionsaffären im Bundestag geht die Angst vor einer Pleite bei Christdemokraten in Magdeburg um. Sollte die Landes-CDU am Wahlabend tatsächlich schwer abgestraft werden, vielleicht sogar den Status als stärkste Fraktion im Landtag an die AfD verlieren, dann ginge von Sachsen-Anhalt ein Beben aus, das auch Laschet schwer beschädigen würde.

Hauptkonkurrent für die CDU in Sachsen-Anhalt ist die AfD. Deshalb haben die Christdemokraten hier den kantigen, konservativer wirkenden Söder als Zugpferd im Ringen mit der Konkurrenz bevorzugt. Mit dem weich und liberal wirkenden Laschet gewinnt man angeblich nicht rechts der Mitte. CDU-Landeschef Sven Schulze hat entsprechend am Dienstag den Spagat versucht: Er hat Laschet Loyalität versprochen - wünscht sich im Wahlkampf aber lieber Auftritte vom Konservativen Friedrich Merz.

Laschet ist also ein Kandidat, den ein erheblicher Teil seiner eigenen Parteifreunde nur für die zweite Wahl hält. Er sollte sich nicht damit begnügen, dass es einer gewissen Angela Merkel mal ähnlich ging. Will der 60-Jährige tatsächlich ins Kanzleramt einziehen, muss er die offen daliegenden Risse in der Union kitten und seine Partei hinter sich versammeln. Zeit und Ort der ersten Etappe sind schon klar: sofort und in Sachsen-Anhalt.

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]