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Kommentar zum Attentat auf Altenas Bürgermeister Kommentar zum Attentat auf Altenas Bürgermeister: Hass und abgrundtiefe Ignoranz

Von Peter Seidel 28.11.2017, 09:49
Andreas Hollstein (CDU), seit 1999 Bürgermeister von Altena
Andreas Hollstein (CDU), seit 1999 Bürgermeister von Altena dpa

Der Messerangriff auf den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, trifft einen Mann, der seit 18 Jahren mit Tatkraft, Überzeugung und innovativem Mut versucht, seiner verschuldeten und wirtschaftlich siechenden Stadt eine bessere Zukunft zu eröffnen. Der offenbar politisch motivierte Attentäter trachtete einem engagierten CDU-Politiker nach dem Leben. Hollstein wendet den Merkel-Satz „Wir schaffen das“ zum Zustrom von Migranten nach Deutschland kreativ auf die Verhältnisse seiner seit 40 Jahren in ökonomische Depression verfallene Stadt an.

Er hat verstanden, dass die Einwanderung von Kriegsflüchtlingen aus Syrien und Wirtschaftsmigranten aus Westafrika für die kleine Stadt an der Lenne eine zusätzliche Chance sein kann. Etwa 450 Flüchtlinge leben heute in der westfälischen Stadt mit der Burg über dem Flüsschen. 270 hätte Altena aufnehmen sollen.

Vor allem junge Leute sind das, zupackende Menschen, die frischen Wind in die völlig überalterte Stadt bringen können. Die Krise der traditionell dort angesiedelten Metall verarbeitenden Industrie kostete Mitte, Ende der 1970er Jahre tausende Arbeitsplätze. Statt 32.000 Einwohner im Jahr 1970 zählt Altena heute noch etwa 17.500 Menschen.

Die Gastarbeiter aus Südeuropa, aus Sizilien zum Beispiel, die die Stadt in den 1960er Jahren anzog, sind längst wieder verschwunden. Sie in die Stadtgesellschaft zu integrieren, sei gescheitert, sagte Hollstein einmal mit Blick auf den Wirtschaftsboom jener vergangenen Jahrzehnte.

Das soll dieses Mal anders werden. Die Herangehensweise der Altenaer überzeugt offenbar. Die kleine Stadt ist Gegenstand einer Studie der OECD zu innovativen Integrationskonzepten in Europa. Im Mai verlieh Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr den nationalen Integrationspreis. Und sie erhielt vom Programm Urbact der Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedstaaten erst im Oktober einen Preis für innovative Stadtentwicklung. 2015 verzeichnete Altena wieder einen Bevölkerungszuwachs. Das erste Mal seit 45 Jahren.

Gegen all das wendet sich der Messerangreifer vom Montagabend. Aus der Tat spricht deshalb neben dumpfem Hass auf einen, der mit Tatkraft neue Bürger in der Stadt ansiedeln will, der Fremde willkommen heißt, auch abgrundtiefe Ignoranz, pure Dummheit. Und es ist gut, dass sich der Bürgermeister von Altena von diesem Angriff nicht einschüchtern lässt.  (red)