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Kommentar zu G20 Kommentar zu G20: Plötzlich steht der Feind wieder links

Von Daniela Vates 11.07.2017, 12:55
Krawalle zum G20-Gipfel in Hamburg
Krawalle zum G20-Gipfel in Hamburg dpa

Berlin - Es passt schon verdammt gut. Auf dem G20-Gipfel sind die Inhalte überschaubar, dafür gab es draußen Randale - brennende Autos, geplünderte Geschäfte, Straßenschlachten. Es sind noch zehn Wochen bis zur Wahl.  Die Unionsparteien liegen weit vorne, kämpfen aber mit dem Vorwurf der Profillosigkeit, der inneren Zerrissenheit und der AfD. Erst kürzlich hat sich die letzte Bastion der Konservativen – der Widerstand gegen die Ehe für alle – im Bundestag in Luft aufgelöst.

Und da kehrt wie auf Bestellung ein bewährtes Feindbild zurück, das wunderbar in die bekannten Koordinaten passt. Die alten Reflexe funktionieren. Der Gegner sitzt also ab sofort für CSU und CDU nicht mehr in den eigenen Reihen. Den schmerzenden Vorwurf, auf dem rechten Auge blind zu sein, dreht man mal eben flugs um. Der Feind steht wieder links. Fast scheint ein kollektives Aufatmen durch die Union zu gehen.

Kanzleramtsminister Peter Altmaier, heimlicher Chef-Wahlkampforganisator der CDU, lässt also seine übliche Zurückhaltung fahren, und zieht eine Linie von Linksextremisten zu Islamisten. Jens Spahn, versierter Zuspitzer mit Karriereplänen für die Zeit nach Angela Merkel, spricht genüsslich von „Linksfaschisten“. Die Unions-Generalsekretäre werfen SPD, Grünen und Linkspartei vor, sie würde die Gewalt von links verharmlosen.

Das schnelle Urteil hat Vorrang vor der Analyse. Der Dank an die Sicherheitskräfte gerinnt zum politischen Kampfeinsatz im Gestus der Mutprobe. Kritik an der Polizeitaktik, an Versammlungseinschränkungen und Zeltverboten wird zur Sympathiebekundung mit Gewalttätern erklärt. Und allen Ernstes wird suggeriert, Ausschreitungen seien durch schriftliche Bekenntnisse zu Demokratie zu verhindern.

Es befinden sich damit alle im selben Topf: Brandstifter, Plünderer und das gesamte linke Lager.   Die Auseinandersetzungen mit den Gipfel-Inhalten und mit der Kritik am Format des 20er Treffens, auch die Fragen an die Organisatoren, verschwinden hinter Empörung und Feindbildern, hinter Pauschalisierung und verbaler Eskalation. Parteitaktisch ist das in einem Wahljahr nachvollziehbar, ein kluges gesellschaftspolitisches Konzept ist das nicht.