Koalitionsvereinbarung Koalitionsvereinbarung: Mehrwertsteuer steigt 2007 auf 19 Prozent
Berlin/dpa. - Mit der Einigung auf eine höhere Mehrwertsteuer istUnion und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen am Donnerstagabend einDurchbruch gelungen. So soll diese Verbrauchssteuer am 1. Januar 2007von 16 auf 19 Prozent erhöht werden, erfuhr die dpa in Berlin.Dagegen hatte sich die SPD lange gesträubt.
Unklar blieb zunächst, ob die Union dafür die «Reichensteuer»akzeptieren wird. Anzeichen gab es für ein Festhalten amAtomausstieg. Weitere Streitpunkte waren noch Kündigungsschutz undbetriebliche Bündnisse. Aus der Union hieß es, die Gespräche würdenfrühestens am Freitag beendet.
Die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer sollen teils zurHaushaltssanierung in Bund und Ländern, teils zur Senkung desArbeitslosenbeitrags verwendet werden. Der rheinland-pfälzischeRegierungschef Kurt Beck (SPD) sagte, die 40-Prozent-Marke bei denLohnnebenkosten werde «nach unten durchstoßen».
Am späten Abend zeichnete sich immer deutlicher ab, dass an demunter Rot-Grün mit der Industrie vereinbarten Atomausstieg bis 2021nicht gerüttelt werden soll. CDU-Chefin Angela Merkel habe in einerSchaltkonferenz des CDU-Vorstands erklärt, dass eine Änderung derbisherigen Regelung mit der SPD nicht zu machen sei, berichtete die«Berliner Zeitung». Das sei für die SPD eine Glaubenssache. CDU undCSU wollten die Laufzeit der Atomkraftwerke um acht Jahre verlängern.
Das ZDF berichtete, eine große Koalition wolle einmilliardenteures Investitionsprogramm auflegen. Im Gespräch sei einBetrag bis zu 25 Milliarden Euro. Es solle dem Mittelstand und derKonjunktur zugute kommen. Die Zeitung «Die Welt» (Freitag) schrieb,die Koalition werde 2006 mindestens 40 Milliarden Euro neue Schuldenmachen und damit gegen das Gebot der Verfassung verstoßen, wonach dieNeuverschuldung unter den Investitionen liegen muss.
Union und SPD verständigten sich bereits auf zahlreiche Punkte.Das geht aus dem Entwurf des Koalitionsvertrages hervor, der der dpaam Donnerstagabend vorlag. Der Vertrag soll am 18. November in Berlinunterzeichnet werden. Scharfe Kritik an Vorhaben der geplanten großenKoalition kam aus der Wirtschaft. Die Sparpläne lösten Befürchtungenüber den Wegfall Zehntausender Arbeitsplätze aus.
Trotz elementarer Meinungsunterschiede wollen Union und SPD einegrundlegende Reform der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2006vereinbaren. Bei der Pflegeversicherung wollen die Parteien sowohldie Finanzierung als auch die Leistungen reformieren. Zunächst sollenAusgaben eingedämmt werden. Die Entscheidung über dieGesundheitsprämie der Union oder die Bürgerversicherung der SPD wirdvertagt. Die Einführung eines Elterngeldes bis höchstens 1800 Eurofür ein Jahr an Mütter oder Väter wird von 2008 an fest vereinbart.Das Studenten-Bafög soll in der bisherigen Form erhalten bleiben.
Union und SPD wollen die Kosten der Arbeitsmarktreform Hartz IVdeutlich senken. Unter anderem sollen unverheiratete, volljährigeKinder unter 25 Jahren grundsätzlich in die Bedarfsgemeinschaft derEltern einbezogen werden. Die Definition eheähnlicher Partnerschaftensoll geprüft werden. EU-Ausländer, die vorher nicht in Deutschlandgearbeitet haben, sollen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II mehrhaben.
Die «Berliner Zeitung» (Freitag) berichtete, das ArbeitslosengeldII Ost solle auf Westniveau angehoben werden. Das bedeutet eineErhöhung um 14 Euro auf 345 Euro monatlich. Ferner solle es 2008 eineUnternehmenssteuerreform geben. Der Ausbildungspakt für jungeMenschen soll fortgesetzt werden. Bürger und Unternehmen sollen vonbürokratischen Vorschriften entlasten.
Unions-Fraktionsvize Ronald Pofalla schloss eine Einigung erst andiesem Samstag nicht aus. «Was die "Reichensteuer" für die SPD ist,ist für uns die Frage der betrieblichen Bündnisse.» Am Ende könne essein, dass beides nicht komme.
Die Union dringt auch unverändert auf die Umsetzung der geplantenLockerung des Kündigungsschutzes. Niedersachsens MinisterpräsidentChristian Wulff (CDU) betonte, die in der Koalitions-Arbeitsgruppevereinbarte Ausdehnung der Probezeit von sechs auf 24 Monate müsse«jetzt auch umgesetzt werden». Ver.di-Chef Frank Bsirske warnte voreiner «sozialen Entsicherung». Der scheidende SPD-Chef FranzMüntefering hatte zuvor den von Unions- und SPD-Politikern bekanntgegebenen Kompromiss wieder in Frage gestellt.
Die Autofahrer sollen nach dem Willen von Union und SPD nicht miteiner Pkw-Maut belastet werden. Ferner soll mit einer Gesetzesnovelledie Forschung und Anwendung von Gentechnik in der Landwirtschaftforcieren. Der Schutz von Mensch und Umwelt bleibe oberstes Ziel.