Kalter Krieg Kalter Krieg: Ermittlungen zum Tod von DDR-Bürgern an der Grenze

Halle (Saale) - Hartmut Tautz war 18 Jahre alt und es fehlten ihm nur 22 Meter bis zu seinem Traumziel. Im August 1986 hatte sich der Magdeburger bis an den letzten Grenzzaun zwischen tschechischem und österreichischem Hoheitsgebiet vorgearbeitet. Dann aber löst er einen stillen Alarm aus. Tschechische Grenzwachen lassen auf Grenzdurchbrecher abgerichtete Hunde los.
Als der Hundeführer erscheint, hat Tautz schwere Bisswunden am Kopf und an den Beinen. Ein Arzt wird nicht gerufen, erst nach zwei Stunden wird er ins Krankenhaus gebracht. Dort stirbt Hartmut Tautz in der folgenden Nacht. Ein Opfer des Eisernen Vorhangs, das im Unterschied zu den Toten an der Mauer und der deutsch-deutschen Grenze kaum Aufsehen erregte. Weil die mutmaßlichen Täter im Ausland saßen, wurde der Tod von DDR-Flüchtlingen in einst sozialistischen Ländern bisher nicht untersucht.
Das soll sich ändern. Nachdem die 2011 in Prag gegründete Plattform für Europäisches Gedächtnis und Gewissen 2016 beim Generalbundesanwalt in fünf Fällen Strafanzeige wegen deutscher Staatsangehöriger erstattet hatte, die im Kalten Krieg an der Grenze der Tschechoslowakei getötet wurden. Die auf Beschluss des Europäischen Parlaments gegründete Plattform hat 67 Fälle zusammengetragen, in denen der Verdacht besteht, dass tschechische und slowakische Staatsbürger für die Tötung deutscher Staatsbürger am Eisernen Vorhang verantwortlich sein könnten.
Zu den mutmaßlich Verantwortlichen gehörten, glaubt Neela Winkelmann, die Geschäftsführerin der Plattform, die letzten noch lebenden Mitglieder des Politbüros der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei Milouš Jakeš, Lubomír Štrougal und Peter Colotka. Sie hätten auch im Fall Tautz „an der Spitze der Befehlskette“ gestanden. Ermitteln wird nun das Landeskriminalamt in München. (mz)
