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Union nach Gesprächsabbruch Jamaika-Aus: Was das Scheitern für Angela Merkel und Horst Seehofer bedeutet

Von Daniela Vates 20.11.2017, 15:55
Sehen ungemütlichen Wochen entgegen: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer.
Sehen ungemütlichen Wochen entgegen: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer. dpa

Berlin - So viel Dank an so einem Abend. Angela Merkel ist dann doch mal nicht cool, sondern gerührt. „Danke, Angela Merkel für diese vier Wochen“, sagt als erstes CSU-Chef Horst Seehofer und auch bei ihm gibt es eine Ausnahme: Es schwingt keine Ironie mit, zumindest nicht hörbar. Es klatschen die Verhandler, von CDU, CSU und Grünen.

Sie klatschen lange und auch die Grünen-Spitze wird ihr noch ihren Dank aussprechen. Merkel lächelt überrascht, sie blickt verlegen um sich. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier packt sie bei den Schultern. Herzlich und stützende wirkt das zugleich, an einem Tag, den Merkel als „wirklich historischen Tag“ beschreibt. Kurz vor Weihnachten zum vierten Mal als Bundeskanzlerin vereidigt werden, so war eigentlich ihr Plan.

Jetzt regiert sie auf absehbare Zeit weiter nur geschäftsführend. Und es kann sein, dass der Tag auch deshalb historisch ist, weil er Merkels letzte Tage und Wochen im Amt einleitet.

Aus den Reihen der Union gibt es keine laute Kritik

Doch noch ist das nicht so. Die Kanzlerin tritt nicht zurück, sie macht weiter. Sie sagt: „Ich als Bundeskanzlerin, als geschäftsführende Bundeskanzlerin, werde alles dafür tun, dass dieses Land auch durch diese schwierigen Wochen gut geführt wird.“ Wenn man es genau nimmt, kann man das als einen halben Abschied nehmen, weil Merkel nur von Wochen spricht. Aber sie ist auch eine Frau, die die „Politik der kleinen Schritte“ für sich beansprucht, einer nach dem anderen. Und wie viele es sein werden, weiß man noch nicht.

In der CDU jedenfalls gibt es erstmal keine Kritik, zumindest keine relevante. Der Bundesvorstand schließt sich am Telefon zusammen. Es gibt Lob für die Chefverhandlerin. „Das Scheitern nützt ihr“, sagt ein Vorstandsmitglied. Kritik gibt es schließlich reichlich in der Partei: Am schlechten Bundestagswahlergebnis, an der Kommunikation in den Tagen nach der Wahl. Die CDU habe ihre strategischen Ziele erreicht, blieb da bei vielen in der CDU nur hängen als Hinweis aus der Parteizentrale – nämlich die, stärkste Partei zu werden und auf jeden Fall Regierungspartei.

CSU plant Sondersitzung für Donnerstag

Manche in der CDU sahen auf das dicke Minus vor den Wählerprozenten und befanden, dass es mehr gebe als strategische Ziele. Und auch die Verhandlungsführung bei den Sondierungsgesprächen wird intern kritisiert: Die CDU sei da zu wenig präsent gewesen, hieß es. Die „schwarzen Punkte“ der Verhandlungen seien öffentlich nicht sichtbar. Merkel und ihr Team hatten anders als CSU, FDP und Grüne auf öffentliche Zurückhaltung gesetzt. Für einen Fehler halten es manche in der CDU auch, dass die Verhandlungen sich nicht von Anfang an auf die zentralen Konfliktpunkte zwischen den Parteien konzentriert haben, sondern alle möglichen Politikfelder in den Blick nahmen. Am Sonntag und Montag wird die Parteispitze darüber in ihren Gremien noch einmal genauer sprechen.

Bis dahin dürfte auch klarer sein, wie es in der CSU weitergeht – und das könnte Auswirkungen auf die CDU haben. Am Donnerstag trifft Seehofer mit der bayerischen Landtagsfraktion und dem Parteivorstand zusammen. Um eine Wahlanalyse sollte es da ursprünglich gehen, jetzt wird wohl das Sondierungs-Nichtergebnis im Fokus stehen. Und auch der anhaltende Streit über Parteivorsitz, Ministerpräsidentenamt und Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2018 wird wohl eine Rolle spielen. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann erklärte, er erwarte, dass die Personalfragen in den nächsten Tagen geklärt würden.

Ein Sturz Seehofers würde Merkel in Bedrängnis bringen

In welche Richtung die Sondierung die Gewichte verschoben hat, ist unklar: „Horst ist gestärkt“, sagen manche in der CSU und verweisen darauf, dass der Bedarf der Partei nach zusätzlicher Unruhe durch einen Personalwechsel gering sein dürfte – und schon gar nach einem Machtkampf zwischen Seehofer und seinem Finanzminister Markus Söder.

Gut möglich ist, dass Seehofer eine Mitgliederentscheidung über die Spitzenkandidatur ankündigen wird – in der Hoffnung, damit Söder zu verhindern. Ilse Aigner jedenfalls hat diesen Gedanken am Wochenende mal vorgetestet. Aigner war es auch, die am Montag aus München das Scheitern der Sondierungen kommentierte – und sich damit auch wieder als Seehofer-Nachfolgerin ins Gespräch brachte.

Klar dürfte jedenfalls sein: Ein Sturz Seehofers in München würde auch Merkel in Bedrängnis bringen. Die betrachtete die Sache noch am Abend des Scheiterns schnell wieder gelassen: „Ich bin nicht sauer“, sagte sie da. „Ich bin bedächtig. Es war ein bemerkenswerter Tag.“