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Interview mit Merkel-Weggefährten Rainer Eppelmann Interview mit Merkel-Weggefährten Rainer Eppelmann: "Angela Merkel braucht eine Mehrheit in der CDU"

Von Jochen Arntz 04.02.2016, 16:27
Rainer Eppelmann erklärt die Motive Angela Merkels mit ihrer Biografie. Einen Rücktritt Merkels hält er für unwahrscheinlich.
Rainer Eppelmann erklärt die Motive Angela Merkels mit ihrer Biografie. Einen Rücktritt Merkels hält er für unwahrscheinlich. Markus Wächter Lizenz

Berlin - Herr Eppelmann, Angela Merkel gehörte als Pfarrerstochter und Christin in der DDR einer Minderheit an, ihre Flüchtlingspolitik teilt heute auch nur eine Minderheit der Ostdeutschen. Wird die Kanzlerin von ihrer Herkunft eingeholt?

Also, da machen Sie uns Ostdeutsche aber unsolidarischer, als wir sind. Selbst wenn ich mir die Horror-Umfrageergebnisse der AfD im Osten heute ansehe, ist das doch noch keine Mehrheit.

Aber die Ablehnung der Flüchtlingspolitik reicht weit in die Volksparteien hinein, besonders im Osten.

Wurde nicht gerade im Schwarzwald, also in Baden-Württemberg, eine Handgranate auf ein Flüchtlingsheim geworfen? Ich wäre vorsichtig mit der Einschätzung des Ostens.

Das alles ist für die Kanzlerin und ihre Politik sehr gefährlich. In der jüngsten Umfrage verliert sie dramatisch an Zustimmung.

Ja, sie weiß natürlich, dass sie ihre Funktion nur ausfüllen kann, wenn sie eine Mehrheit in der Bevölkerung hat und eine Mehrheit, um mit anderen regieren zu können. Sie braucht also eine Mehrheit in der eigenen Partei. Das wird nicht ohne Taktieren und ohne Kompromisse gehen. Aber ich glaube, das geht bei ihr nur so weit, wie sie es selbst formuliert hat: Wenn wir anfangen, uns noch dafür zu entschuldigen, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, ist das nicht mein Land.

Glauben Sie, dass Merkels Flüchtlingspolitik für sie eine Lehre aus der deutschen Geschichte ist, auch aus der DDR-Geschichte?

Aber sicher, sie ist doch eine sehr intelligente Frau, und ich bin froh darüber, dass gerade sie in einer so schwierigen Zeit wie heute Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland ist. Sie hat ihre Werte.

Was sind denn Merkels Werte?

Reden wir doch über die Säulen, auf denen ihr Leben steht: Da ist ihr Elternhaus, ein evangelisches Pfarrhaus und eine diakonische Einrichtung, wo sie stets von hilfsbedürftigen Menschen umgeben war. Helfen gehörte zum Alltag der Familie, das hat sie geprägt – wie auch die humanistische Bildung in ihrem Elternhaus, die in der DDR ja alles andere als selbstverständlich war.

Man kann doch nicht sagen, dass ihre Politik immer von einem christlichen Verständnis geprägt war. 2003 hat sie Sympathien für den Irak-Krieg gezeigt. Und als Sozialleistungen in Griechenland massiv gekürzt wurden, hat sie nicht mit der Wimper gezuckt.

Das ist Ihr Bild von Angela Merkel, meins ist das nicht.

Das rigorose Verhalten der Kanzlerin gegenüber den Griechen liegt doch noch nicht so lange zurück.

Na ja, ich bin auch der Meinung, dass den Griechen geholfen werden soll. Und ich weiß, dass es vielen Griechen heute schlechter geht als vor fünf Jahren. Aber vor fünf Jahren ging es ihnen auch deshalb gut, weil die Regierung eine Politik betrieben hat, die von den Griechen gewollt war und sie über ihre Verhältnisse leben ließ. Das ist der Unterschied zur Lage eines syrischen Kriegsflüchtlings. Es wäre doch ungerecht, wenn Angela Merkel das gleich behandelte. Dann müsste man ihr doch einen Vorwurf machen. Denn von den Griechen können und müssen wir verlangen, dass sie ihre Probleme selbst lösen. Von einem syrischen Flüchtling kann man das nicht erwarten.

Also geht es auch um Reife und Selbstbewusstsein im Amt, wenn sie sich heute so verhält, wie sie es tut?

Das ist es nicht alleine, aber es spielt eine Rolle. Und ich bin froh darüber, dass sie heute angesehen und erfahrener ist. Es geht außerdem nicht nur um die Kanzlerin in diesen Tagen. Es geht darum, wie dieses Deutschland in zehn, zwanzig Jahren aussieht.

Das heißt, es wird an der Grenze zu Österreich keinen Zaun geben, eher ist Merkel nicht mehr Kanzlerin?

Davon bin ich überzeugt. Sie kämpft doch.

Rücktritt ausgeschlossen?

Ja, es sei denn, die Situation in Europa wird in den nächsten Wochen so niederschmetternd, dass ihre Erwartungen aussichtslos sind, der Kontinent könne die Flüchtlingskrise gemeinsam lösen.

Man muss doch davon ausgehen, dass sich in Europa nichts bewegt.

Das glaube ich nicht.

Das Gespräch führten Jochen Arntz und Markus Decker.