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Interview mit Jens Bullerjahn Interview mit Jens Bullerjahn: Gute Laune trotz Kritik am Sparkurs

26.01.2013, 09:49

Halle (Saale)/MZ. - Herr Bullerjahn, haben Sie sich schon die Taschen zugenäht? Alle wollen Geld: Ihre Ministerkollegen, der Öffentliche Dienst, die Gemeinden und Landkreise...

Bullerjahn: (lacht) ...habe ich auch gelesen.

Aber sparen wir uns nicht zu Tode?

Bullerjahn: Das sind doch Rituale: Es sind sich zwar alle einig, dass gespart werden und dass das Geld reichen muss. Aber jeder für sich führt ins Feld, dass sein Ressort das Wichtigste ist. Es gibt zum Teil auch völlig überzogene Vorstellungen. Damit weiß ich umzugehen.

Wie denn?

Bullerjahn: Wir haben für den Haushalt 2014 einen klaren Fahrplan: Ich werde dem Kabinett am 19. März darlegen, wie sich die finanzielle Situation aus heutiger Sicht darstellt und welche Spielräume wir haben. Bis Ende Mai kann dann jeder meiner Ministerkollegen seine Vorstellungen erläutern. Und in Kenntnis der Probleme des jeweils anderen müssen wir dennoch dafür sorgen, dass wir einen Haushalt aufstellen, der ohne Schulden auskommt. Ich werde das Kabinett zwingen, eine eigene politische Prioritätensetzung vorzunehmen: Wo sind die Stärken, wo sind die Schwächen. Welche Stärken müssen wir ausbauen, mit welcher Schwäche können wir leben, das ist die Frage.

Der Kultusminister will mehr Geld für Lehrer und Kultur, der Bauminister für Brücken: Da muss es doch eine Leitfunktion von Ihnen und dem Ministerpräsidenten geben?

Bullerjahn: Richtig. Aber ich werde jetzt nicht vorgeben, welche Schwerpunkte aus meiner Sicht gesetzt werden müssten. Ich will der Debatte nicht vorgreifen. Klar muss aber sein: Viele, die im Kabinett und im Parlament sitzen - ich auch - haben mit dafür gesorgt, dass wir über 20 Milliarden Euro Schulden haben. Das betrifft genauso Verkehrsminister Thomas Webel, der jetzt wesentlich mehr Geld für Straßen und Brücken fordert. Er hat genau so seinen Beitrag zu leisten wie alle anderen. Er ist schließlich auch Landesvorsitzender der Partei, die die größere Koalitionsfraktion stellt. Das heißt, er muss auch mitdenken und nicht nur bestellen.

Beim neuen Kinderfördergesetz haben Sie die Bestellung angenommen. Der Sozialminister hat gesagt, er wisse nicht, was ein Kitaplatz kostet, aber er brauche 50 Millionen. Er hat sie bekommen.

Bullerjahn: Das ist richtig. Aber es war mehrheitlich politisch gewollt und das habe ich akzeptiert. Wir werden uns jetzt gemeinsam mit dem Sozialministerium bemühen, das Problem in den nächsten zwei Jahren aufzulösen. Es gibt Überlegungen, die Kosten für die Kinderförderung in das Gesetz aufzunehmen. Wenn dies gemacht werden sollte, will ich aber zuvor die konkreten Kosten wissen.

Sie haben beim Nachtragshaushalt ordentlich nachgeschossen. Was, wenn die Steuern einbrechen?

Bullerjahn: Ich sehe das nicht so. Wir lagen mit den Steuereinnahmen im vergangenen Jahr sogar über unseren Prognosen. Wir gehen auch in den nächsten Jahren davon aus, dass die Wirtschaft wächst, so um die zwei Prozent. Und wir erwarten von der EU noch 300 Millionen Euro. Wir haben zudem im vergangenen Jahr 1 700 Stellen abgebaut, abzüglich der Neueinstellung macht das noch immer 1 300 Stellen weniger. Das entspricht einer Einsparung von etwa 60 Millionen Euro.

Aber macht es Sinn, gerade einmal 25 Millionen Euro - 0,01 Prozent der Gesamtschulden - in die Tilgung zu stecken, anstatt sie angesichts eines Zinssatzes von quasi null Prozent zu investieren?

Bullerjahn: Wie viel Tilgung hätten Sie denn gern? Ich lese doch auch Kommentare, endlich mit dem Schuldenabbau anzufangen. Wenn wir jetzt nicht anfangen, wann dann? Es geht auch um ein politisches Signal: Wir fangen erstmals an, unsere Schulden abzuzahlen. Ich höre auch immer, wir würden viel zu sehr sparen. Aber wir sparen noch nicht wirklich, das kommt erst in den nächsten Jahren. Wir müssen jedes Jahr mindestens 300 Millionen Euro tilgen, damit die Pro-Kopf-Verschuldung spürbar sinkt. Bei 20 Milliarden Euro Schulden laufen wir Gefahr, nicht mehr Herr der Lage zu sein und nur noch Auflagen des Bundes zu erfüllen. Für neue Schulden stehe ich daher nicht zur Verfügung.

Apropos Herr der Lage: Genau das beklagen die Kommunen wegen Ihres Programms Stark IV. Der Chef des Landkreistages nennt das Programm zur Entschuldung gar eine politische Ersatzvornahme.

Bullerjahn: Michael Ermrich muss Stark IV nicht nehmen, niemand muss das. Das würde dem Land viel Geld sparen; es ist nur ein Angebot. Wenn es den Kommunen gelingt, trotz ihrer hohen Verschuldung ohne finanzielle Hilfe des Landes auszukommen - okay. Ich gehe aber davon aus, dass nahezu alle der etwa 100 Kommunen, die Stark IV nutzen können, dies auch tun werden. Sie bekommen vom Land Geld für etwas, was sie ohnehin tun müssen - ihre Schulden abbauen. Ich bin diese Diskussion langsam leid. Wir helfen mit den Stark-Programmen wie kein anderes Bundesland seinen Kommunen. Es saßen bei der Erarbeitung der Programme und des Finanzausgleichgesetzes die kommunalen Spitzenverbände mit am Tisch. Da kann es doch nicht sein, dass man sich jetzt aufplustert und später vielleicht doch einen Antrag bei uns stellt. Ich finde es schade, dass Politik so schlicht ablaufen muss.

Aber die Bedingungen sind hart...

Bullerjahn: ...ja, wir verlangen viel, das war auch schon bei Stark II so. Da gab es die gleichen Diskussionen, doch inzwischen haben 85 Prozent der Kommunen Kreditverträge bei uns. Wir müssen den Kommunen jetzt helfen, wo wir noch die nötigen finanziellen Spielräume haben. Das wird 2020 wesentlich anders aussehen. Und es gibt einen zweiten Aspekt. Wenn die Kommunen mir in ein paar Jahren wegen ihrer Schulden reihenweise in die Zwangsverwaltung rutschen, bekommt auch das Land mit dem Bund ein Problem.

Lassen Sie uns vom Geld zum Zustand Ihrer Partei kommen. Was halten Sie vom Kanzlerkandidaten der SPD?

Bullerjahn: (langes Schweigen) Tja. Ich hätte nicht gedacht, dass wir als SPD in eine solche Diskussion über unsere Wahlkampfstrategie und den Spitzenkandidaten geraten. Man hätte das Thema von Anfang an professioneller managen müssen. Ich kann nur hoffen, dass Peer Steinbrück und die gesamte Partei den Schwung der Niedersachsen-Wahl mitnehmen und unsere Performance verbessern. Sonst wird der Wahlkampf für uns ein sehr schwieriger und das Ergebnis absehbar. Es ist aber noch genug Zeit zu kämpfen.

Und Sie? Wollen Sie 2016 noch einmal als Spitzenkandidat für die SPD im Land antreten?

Bullerjahn: Ich habe mich mit dem Wahlergebnis 2011 lange herumgeschlagen, das ist bekannt. Ich habe dann für mich entschieden, dass ich in dieser Wahlperiode meinen Job als Finanzminister weiter mache, und das möglichst gut. Ich werde aber nicht irgendwann methusalemähnlich aus dem Amt scheiden. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, dass ich noch einmal aktiv die Spitzenkandidatur anstrebe. Ich habe darüber schon bei einem Glas Wein mit meiner Landesvorsitzenden Katrin Budde gesprochen...

...der selber Ambitionen nachgesagt werden...

Bullerjahn: ...ich habe ihr gesagt, wenn sie will und das auch die Partei will, werde ich sie unterstützen.