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Innere Sicherheit Innere Sicherheit: Kritik an Schäubles «Lizenz zum Töten»

10.07.2007, 12:03
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht am 18. August 2006 in Berlin bei einer Pressekonferenz zu den Journalisten. (Foto: ddp)
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht am 18. August 2006 in Berlin bei einer Pressekonferenz zu den Journalisten. (Foto: ddp) ddp

Berlin/dpa. - Merkel verwies im Fernsehsender RTL auf neue Bedrohungen durch deninternationalen Terrorismus und fügte hinzu: «Ich will einenInnenminister, der sich mit diesen neuen Bedrohungen auseinandersetzt. Denkverbote helfen nicht weiter.»

Merkel ging in dem am Dienstag aufgezeichneten Interview nicht imDetail auf Schäubles neueste Überlegungen - zum Beispiel die gezielteTötung von Terroristen oder ein Internet- und Handy-Verbot fürGefährder - ein. Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) forderte in der«Süddeutschen Zeitung» (Mittwoch) ein klares Wort von Merkel: «Beisolchen zentralen Themen erwarte ich, dass auch die Kanzlerinerkennbar macht, was sie denkt und will - auch wenn nicht klar ist,ob sie damit gewinnt oder verliert.» Merkel müsse sich erklären. «Undzwar in aller Klarheit.»

Schäuble selbst warf am Dienstag seinen Kritikern eine «Vogel-Strauß-Politik» und ein Ignorieren der Gefahren durch den Terrorismusvor. «Wir stecken den Kopf in den Sand und das ist unverantwortlich»,sagte er im Deutschlandradio Kultur. Man dürfe nicht so tun, «alswären wir von diesen Bedrohungen gar nicht betroffen».

Merkel betonte, natürlich müsse eine «Balance zwischen Sicherheitund Freiheit» gefunden werden. «Aber die Menschen erwarten mitSicherheit vom Staat auch, dass er sie schützt.» Müntefering warntevor «lautstarker Panikmache» bei der inneren Sicherheit. «Man darfMenschen keine Angst machen. Ich bestreite nicht, dass über innereSicherheit gesprochen werden muss. Gefahren gibt es. Das müssen dieVerantwortlichen miteinander machen, und zwar erst mal intern.»

Auch Unions-Politiker wandten sich inzwischen gegen SchäublesGedankenspiele. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte imDeutschlandradio Kultur, er halte eine gezielte Tötung vonTerroristen für mehr als problematisch. Auch bei Terroristen müsstendie rechtsstaatlichen Grundsätze mit Anklage und Aburteilungeingehalten werden. Die Todesstrafe sei aus guten Gründen abgeschafftworden. Der CDU-Innenpolitiker Ralf Göbel sagte der «HannoverschenAllgemeinen Zeitung» (Dienstag): «Wir brauchen keine Lizenz zum Tötenauf Verdacht, wir haben keine und wir werden auch keine bekommen.»FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte im ARD-«Morgenmagazin», ervermisse bei Schäubles Vorschlägen die Verhältnismäßigkeit.

Schäuble sagte, er habe in dem umstrittenen «Spiegel»-Interviewkeine Forderungen gestellt, sondern vielmehr Fragen definiert. Erzeigte sich optimistisch, mit der SPD eine Rechtsgrundlage für dievon ihm geplante Überwachung von Computern, Handys und Telefonen zufinden. Schäuble will zusammen mit der anstehenden Änderung des BKA-Gesetzes auch Online-Durchsuchungen von Computern rechtlichabsichern. Diese Forderung wurde auch von Merkel unterstützt. Siebetonte, nicht jeder Computer werde durchsucht. «Aber für Menschen,die eine solche terroristische Aktion planen, muss eine Online-Durchsuchung auf richterliche Anordnung möglich sein.»

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil warf Schäuble vor, eineeffektive Terrorbekämpfung zu verhindern. «Anstatt Vorschlägeaußerhalb unserer Rechtsordnung in den Medien zu inszenieren, sollteHerr Schäuble lieber seine Pflichten als Innenminister erfüllen.» DerGesetzesentwurf der Koalition zur präventiven Terrorismusbekämpfungdurch das Bundeskriminalamt (BKA) liege seit Monaten vor. Schäubleblockiere aus ideologischen Gründen seit Wochen dieses Gesetz.

Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm sprach sich vor demangekündigten Gespräch der Kanzlerin mit Schäuble undJustizministerin Brigitte Zypries (SPD) für die umstrittenen Online-Durchsuchungen aus. Diese seien für die nachrichtendienstliche Arbeitunverzichtbar, sagte Fromm der Zeitung «Die Welt» (Mittwoch).

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte Merkel auf, ihrenInnenminister in rechtsstaatliche Bahnen zu verweisen. «SchäublesÄußerungen versperren eine nüchterne Debatte darüber, wie wirSicherheit herstellen, aber dabei Bürgerrechte schützen und bewahrenkönnen.» Der Bundesgeschäftsführer der Linke-Partei, Dietmar Bartsch,forderte im Fernsehsender n-tv den Rücktritt Schäubles. Der DeutscheAnwaltverein warnte vor einer Aushöhlung des Rechtsstaates.