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Hessen Hessen: Ypsilantis Wahl zur Ministerpräsidentin ist geplatzt

03.11.2008, 10:41

Wiesbaden/Berlin/dpa. - VierSPD-Landtagsabgeordnete verweigerten ihrer Vorsitzenden einen Tag vorder geplanten Wahl zur Ministerpräsidentin überraschend dieGefolgschaft. Als Grund nannten sie am Montag Bedenken gegen dieLinkspartei, die Rot-Grün in Wiesbaden tolerieren sollte.Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bleibt damit weitergeschäftsführend im Amt.

Drei der vier Abweichler machten ihr Nein erstmals am Montag inWiesbaden öffentlich, nachdem die SPD am Wochenende auf einemParteitag den Koalitionsvertrag mit den Grünen mit großer Mehrheitgebilligt hatte. Ypsilanti zeigte sich «maßlos enttäuscht». Über ihrepolitische Zukunft oder mögliche Neuwahlen sagte sie nichts.

Eine von der Linken geduldete rot-grüne Regierung würde dem Landund seiner Partei schaden, begründete der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Jürgen Walter sein Nein. «Ich kann diesen Wegmeiner Partei in Hessen nicht mitgehen.» Die Sondersitzung desLandtags am Dienstag zur Wahl Ypsilantis wurde abgesagt.

Neben Walter verweigern auch seine Fraktionskolleginnen CarmenEverts, Silke Tesch und Dagmar Metzger ihrer Landes- undFraktionschefin Ypsilanti die Stimme. Allein Metzgers ablehnendeHaltung war seit Monaten bekannt, an ihrem Widerstand war bereits imMärz ein erster Anlauf zur Regierungsübernahme gescheitert. Jedezusätzliche Nein-Stimme von SPD, Grünen oder Linken hätte Ypsilantiam Dienstag die Wahl gekostet, da die drei Parteien zusammen nur auf57 der 110 Mandate im Landtag kommen.

Die SPD-Abgeordneten wollten ihr Mandat behalten, sagte Everts.Man biete der Fraktion weiterhin die Zusammenarbeit an. Sie habe sichunter starkem Druck gefühlt, berichtete die SPD-Abgeordnete Tesch.Ihre Bedenken gegen den Linkskurs seien von der Fraktionsführung«regelmäßig ignoriert und ausgeblendet» worden. Die SPD-Abweichlerplädieren für eine Regierung ohne Beteiligung der Linkspartei.

Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering bezeichnete dengescheiterten Machtwechsel als «schweren Schlag» für die hessischeSPD. Im Präsidium seiner Partei habe die Nachricht eine «Mischung ausBetroffenheit und Empörung» ausgelöst, sagte er in Berlin. Jetztgelte es, die «Krise möglichst schnell zu überwinden», betonte SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier.

Die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, sieht nach demScheitern eines rot-grün-roten Bündnisses Aussichten für einetragfähige Landesregierung. «Nun gibt es wieder eine Chance, einestabile Regierung für Hessen zu bilden», sagte sie der «FrankfurterAllgemeinen Zeitung» (Dienstag). Die CDU-Spitze warf der neuen SPD-Bundesführung Versagen vor. «Herr Müntefering und Herr Steinmeierhaben nicht die Führungskraft aufgebracht, Frau Ypsilanti zustoppen», sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla.

Die Spitze der hessischen SPD wurde von der Ankündigung der vierAbgeordneten vollkommen überrascht. Sie sei erst am Vormittag um kurznach 10.00 Uhr über die Entscheidung informiert worden, sagteYpsilanti am Abend. Die SPD habe den Weg zu einer von der Linkentolerierten rot-grünen Minderheitsregierung in vielen Konferenzen undGesprächen diskutiert und auf zwei Parteitagen darüber entschieden.

Der SPD-Landesvorstand stellte sich nach den Worten desnordhessischen Bezirkschefs Manfred Schaub am Abend einmütig hinterYpsilanti. Man sei sich einig, dass es sich nicht um eine Frage vonFlügeln oder von links und rechts, sondern «von redlich undunredlich» handele. Der Vorstand erwarte, dass Walter seinenStellvertreterposten niederlege. Der südhessische BezirksvorsitzendeGernot Grumbach nannte das Verhalten der vier Abgeordneten einen«Angriff auf die SPD». Er erwarte die Niederlegung der Mandate.Schaub sagte, die SPD-Führung werde die Ereignisse in den kommendenTagen analysieren und keine voreiligen Schlüsse ziehen.

Entsetzen herrschte bei den Grünen. In dieser Legislaturperiodegebe es keine Chance mehr auf eine rot-grüne Landesregierung, sagteFraktionschef Tarek Al-Wazir. Damit werde eine Neuwahl immerwahrscheinlicher. Ministerpräsident Koch forderte eine rasche Lösungfür die Mehrheitsbildung im Landtag. Die geschäftsführende CDU-Landesregierung werde ihre Arbeit fortsetzen, sagte er, warnte aber:«Ein solcher Zustand ist für ein Bundesland nicht auf Dauererträglich.»

Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti verfolgt am 26.08.2008 im Landtag von Wiesbaden eine Rede. (FOTO: DPA)
Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti verfolgt am 26.08.2008 im Landtag von Wiesbaden eine Rede. (FOTO: DPA)
dpa