Grünen-Parteitag Grünen-Parteitag: Jubel für Spitzenpersonal und grüne Urprinzipien
Stuttgart/dpa. - Am Ende ist dann alles wieder gut. Unter dem Parteitagslogo «Grün und gut» beschwört die neue Grünen-Vorsitzende Claudia Roth Zusammengehörigkeitsgefühl und Harmonie in der Partei. «Harmonie ist nicht Friede, Freude Eierkuchen», ruft sie in den Saal. «Harmonie ist auch konstruktiv streiten».
Die unterschiedlichsten Harmonien haben die 45 Stunden seit Beginn des Kongresses in der Stuttgarter Messe geboten. Rockmusik von zwei Mitgliedern von Roths alter Band «Ton, Steine, Scherben» begeistert die Delegierten ebenso wie der bayerische Kabarettist Gerhard Polt samt der Schuhplattler-Musi der «Biermösl Blasn» und die ibero- amerikanischen Rhythmen in der Disco «Zapata», wo die Delegierten in der Nacht zum Sonntag mit ihren Gästen abfeierten. Fraktionschef Rezzo Schlauch war beim Samba-Schritt zu sehen.
Die zwei Niederlagen, die die Basis der Parteiführung und ihrer Regie beigebracht hat, sind am Sonntagmittag fast verschmerzt. Allein Außenminister Joschka Fischer hat sich vor allen Delegierten leicht sauertöpfisch dazu geäußert. Mit dem Votum zur Aufkündigung des Asylkompromisses und mehr noch mit dem von Grünen-Ministern verlangten Verzicht auf Parlamentsmandate hat die Basis urgrüne Prinzipien hochgereckt, wenn auch jeweils mit knapper Mehrheit. Wieweit sie realisiert werden, ist offen.
Doch dient der Parteitag so auch der Selbstvergewisserung. Zu oft haben die Delegierten die Frage gehört, was denn noch grün sei an den Grünen. Von der Parteiführung erwarten sie eine stärkere Profilierung in der Koalition mit der SPD. Als Sieg der «Linken» werden die Voten kaum bewertet. Eher als Folge der von Roth beobachteten «Renaissance grüner Werte». Ihr Traumergebnis von 91,5 Prozent spiegelt ihr hohes persönliches Ansehen, ist aber wohl auch als Signal der Harmonie zu verstehen.
«Die beiden Beschlüsse haben der Seele der Partei gut getan, dem Kopf schaden sie nicht viel», sagt eine Insiderin. «Bei den wichtigen Dingen sind wir uns einig», meinen viele in Stuttgart.
Zu den wichtigen Dingen gehört vor allem die einhellige Unterstützung für das Spitzenpersonal und seine programmatischen Ziele. Jubel für «den neuen Star der Grünen», Verbraucherministerin Renate Künast. Jubel aber auch für Alt-Star Joschka Fischer, dem das sichtlich gut tut. Begeisterter Applaus auch für Andrea Fischer, die durch ihren Rückzug aus dem Gesundheitsministerium den Weg für Künast freimachte. Großer Beifall auch für Kuhn, der seine kämpferische Auftaktrede mit scharfen Angriffen auf CDU und FDP würzt. Schließlich soll der Parteitag Rückenwind für die Wahlen der nächsten zwei Wochen geben.
Etwas schwächer fällt der Applaus für Umweltminister Jürgen Trittin aus. Er kommt den Delegierten mal wieder zu spröde. Seine apodiktische Forderung an die Basis, sich jeglicher Proteste gegen «seinen Atomkonsens» bei den Gorleben-Transporten zu enthalten, kann beim Parteitag mit einem Kompromiss nur mühsam überwunden werden. Es bleibt dabei, dass die Partei nicht zu Aktionen oder gar Blockaden aufruft. Doch wird man wohl darüber hinwegsehen, tauchen Grüne im Umfeld solcher Proteste auf. Eine Demonstration von Atom-Kraft- Gegnern tangiert den Parteitag nur wenig.