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Gregor Gysi Gregor Gysi: Leben am Rande des Todes

Von Günter Werz 19.11.2004, 19:40

Berlin/MZ. - Alles, scheinbar alles,hatten sie ihm vorher gesagt: Dass er nachder Operation blind sein könnte, dass dasSprachzentrum gestört ist, dass er unter Umständennicht mehr laufen und zum Pflegefall werdenkönnte. "Die Ärzte sind da sehr ehrlich",vertraute sich Gregor Gysi kurz vor seinemlebensgefährlichen Eingriff zwei Reporternan. "Zwei Prozent sterben dabei, 17 Prozenthaben bleibende Schäden. Ja, ich habe Todesangst.Ich habe eine Frau und eine kleine Tochter.Ich muss es einfach schaffen."

Es war schon ungewöhnlich, dass der PDS-Starüberhaupt etwas über die unmittelbar bevorstehendeschwere Gehirnoperation am Dienstag dieserWoche sagte - der wortgewandte Gysi beißtsich lieber auf die Zunge als über sein Privatlebenzu plaudern. Wie schlimm es um die Gesundheitdes 56-Jährigen steht, der allein in diesemJahr drei Mal mit Herzproblemen im Krankenhauswar - spätestens seit gestern weiß die Öffentlichkeitum Gysis Leben am Rande des Todes. Und seinePartei ahnt, dass ihr Zugpferd wohl nie wiederin den Bundestag zurückkehren dürfte. DennGysis Entscheidung zwischen Parlament undPrivatleben werden künftig nicht mehr derWunsch und eigene Wille, sondern ärztlicheBefunde diktieren. Nach der dreistündigen,äußerst komplizierten Gehirnoperation vordrei Tagen (die MZ berichtete) hat gesterndie Nachricht von einem neuen schweren Herzinfarktfür Aufsehen gesorgt. Familie, Freunde undParteimitglieder bangen weiter um den Mann,der wie kein anderer das Bild der PDS geprägthat. In der Berliner PDS-Bundeszentrale giltseit gestern offenbar die externe Devise:Alles herunter spielen, bloß nicht die Öffentlichkeitverunsichern. Der schwere Herzinfarkt - esist schon der zweite innerhalb weniger Monate- wird so dargestellt, als sei er eine Herbstgrippe."Gysi ist auf einem guten Weg der Genesung",verkündet PDS-Sprecher Hendrik Thalheim. Derneue Infarkt sei eine befürchtete Folge derEntfernung eines kaputten Blutgefäßes in Gysislinker Hirnhälfte, eines so genannten Aneurysmas,gewesen. Für diesen Eingriff hätten die blutverdünnendenMittel, die Gysi seit seinem ersten Infarktim Februar nahm, abgesetzt werden müssen -Medikamente, die verhindern, dass sich dieHerzgefäße erneut verengen. "Gysi ist Herrseiner Gedanken und Herr seines Körpers",sagt der PDS-Sprecher. Er werde aber drei,vier Tage länger auf der Intensivstation bleibenmüssen.

Katholisches St. Gertrauden-Krankenhaus inBerlin-Wilmersdorf, wo die Schwestern desKatharinenordens in einer kleinen Kapellefür alle Patienten beten und auch den AtheistenGregor Gysi in ihre Fürbitte einschließen:Auf Station 35 bangt Andrea Gysi (47) um dasLeben ihres Mannes. Für sie sind es die schwerstenStunden ihrer Ehe. Im März 1996 hatte diefrühere PDS-Abgeordnete Andrea Lederer Gysigeheiratet - am 1. Mai 1996 schien ihr Glückvollkommen: Tochter Anna wurde geboren. Auserster Ehe hat Gysi noch Sohn George, außerdemAdoptivsohn Daniel.

Schon oft hatte Andrea Gysi versucht,die Terminhetze ihres Mannes zu reduzieren- ohne Erfolg. Gerade in den letzten Monatendrehte Gysi wieder voll auf. Nach dem erstenHerzinfarkt im Februar hatten ihm die Ärztezwei Stents eingesetzt - kleine Röhrchen,die die Herzkranzgefäße offen halten und denBlutfluss gewährleisten. Anfang August erlittGysi einen leichten Schlaganfall (Hirnschlag)- Folge einer Durchblutungsstörung im Gehirn.Es folgte der dritte Stent. Zunächst schienalles gut verlaufen zu sein. Bis gestern dieNachricht vom zweiten Infarkt eintraf. Inzwischenwurde zur Entlastung des Herzens ein vierterStent gesetzt.