Gesundheit und Genuss Gesundheit und Genuss: Zigaretten holen wird schwieriger

Rheine/dpa. - Jetzt müssen alle frei zugänglichen Automaten inDeutschland umgerüstet werden, um dem verschärften JugendschutzRechnung zu tragen. Die Päckchen mit Glimmstängeln fallen nur nochdann aus dem Apparat, wenn dieser sich per Computerchip auf der EC-Karte des Käufers vom vorgeschriebenen Mindestalter des Käufersüberzeugt hat. Wer jünger ist als 16 Jahre, bekommt keine Zigaretten,dafür aber einen gut gemeinten Hinweis im Display des Automaten. Werdas Mindestalter erfüllt, kann sich den Betrag gleich über dieGeldkartenfunktion abbuchen lassen.
300 Millionen Euro hat die Tabakbranche in die Umrüstung derbundesweit 500 000 Automaten investiert. «Die Umstellung auf den Eurowar nichts dagegen», sagt der Tabakwaren-Händler Hermann Ecker, Chefdes Großhandelsunternehmens Hagemann im münsterländischen Rheine.Sechs Wochen vor Einführung des neuen Systems sind rund 95 Prozentder Automaten in Deutschland umgerüstet.
Gemeinsam mit dem TÜV Rheinland und der UnternehmensberatungRoland Berger entwickelte die Industrie ein ausgeklügeltes Verfahren.Künftig muss der Zigarettenkäufer seine EC-Karte in den Automatenschieben. Auf dem Geldkarten-Chip der Bankkarte ist gespeichert, ober alt genug ist. Volks- und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen habenauf ihren EC-Karten den Chip serienmäßig, die Postbank stellt geradeum. Andere Banken bieten die Funktion auf Nachfrage.
Die Bankenwelt erhofft sich von der Neuerung ganz nebenbei einenSchub für das Nischenprodukt Geldkarte - bisher haben 90 Prozentihrer Besitzer sie nicht ein einziges Mal benutzt. Die Tabakbranchegeht dennoch von einem Nachfragerückgang am Automaten aus. 24Milliarden Euro macht der Gesamtmarkt mit dem Blauen Dunst inDeutschland aus. Bisher werden 23 Prozent aller Zigaretten amAutomaten gekauft. «Die Schätzungen gehen von einem Rückgang von zehnbis 50 Prozent aus», sagt Ecker. Wohin die Reise wirklich geht, weißauch er nicht. Denn die Umstellung der Zigarettenautomaten gehteinher mit Restriktionen bei der Tabakwerbung und beim Rauchen in derÖffentlichkeit, vor allem in Restaurants und Cafés.
Dabei ist Deutschland bisher noch ein Raucherparadies, vergleichtman die Regelungen mit denen der europäischen Nachbarn. Freizugängliche Zigarettenautomaten sind in der EU nur noch inDeutschland zu finden. Die Schranken für Raucher beruhen inDeutschland häufig auf Freiwilligkeit. Erst im vergangenen Frühjahrhat die EU-Kommission die Bundesrepublik noch öffentlich gescholten,zu wenig für den Nichtraucherschutz zu tun. Das europaweiteWerbeverbot wurde in Berlin erst vor wenigen Tagen - mit einjährigerVerspätung und nach langem Tauziehen - in nationales Recht umgesetzt.
Der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in Hamm geht dieAutomatenumstellung deshalb auch längst nicht weit genug. «Die Kinderwerden sich bei Älteren die Zigaretten besorgen», sagte DHS-Sprecherin Christa Merfert-Diete. Die Organisation tritt für einVerbot von Zigarettenautomaten und den Verkauf von Tabakwaren nurnoch in lizenzierten Läden - ähnlich dem italienischen Vorbild - ein.«Ein Zigarettenautomat ist überall in Deutschland in 500 bis 1000Meter Entfernung zu erreichen. Das Netz ist eindeutig zu dicht», sagtsie.