Gesundheit Gesundheit: «Das Gefühl, Bittsteller zu sein»
Herr Zöller, sie haben jahrelang dieGesundheitspolitik mitgestaltet. Welche Entscheidungsehen sie als Patientenbeauftragter inzwischenkritisch?
Wolfgang Zöller: In unserem Gesundheitssystemblickt kaum noch jemand wirklich durch. Wirhaben jahrelang geradezu eine Regelungswutgehabt. Gesetze wurden erlassen, die dannimmer wieder nachgebessert und nachjustiertwerden mussten, weil jemand sie umgangen hat.Weniger Regelungen, die aber hieb- und stichfestsind, das wünsche ich mir für die Zukunft.
Mit welchen Problemen wenden sich diePatienten hauptsächlich an Sie?
Zöller: Die Patienten fühlen sichoftmals ohnmächtig und hilflos. Sie habenden Eindruck, zwischen den Interessen derKassen auf der einen Seite und den von Ärztenund Krankenhäusern auf der anderen Seite zerriebenzu werden. Sie haben das Gefühl, Bittstellerzu sein. Dabei stehen ihnen die Leistungender Kassen gesetzlich zu.
Was beschäftigt die Patienten bei ihrenEingaben derzeit am meisten?
Zöller: Ein großes Problem sind erhöhteZuzahlungen zu Medikamenten. Die Kassen könnenfür viele verschreibungspflichtige MedikamentePreisobergrenzen festlegen. Es muss allerdingsgewährleistet sein, dass es immer genügendPräparate gibt, die unter dieser Grenze liegen.Denn nur dann muss der Patient nichts extrabezahlen. Jetzt wurden die Obergrenzen abgesenktund es stellt sich heraus, dass in der Apothekevor Ort oftmals keine zuzahlungsfreien Medikamentemehr verfügbar sind. Das ist vom Gesetzgeberso nicht gewollt.
Wie kann man das korrigieren?
Zöller: Wenn sich das nicht schleunigständert, muss es wohl wieder einmal eine Nachbesserunggeben. Die Mehrkosten dürfen jedenfalls nichtbeim Patienten hängen bleiben.
Sie machen sich für ein eigenes Patientenrechte-Gesetzstark. Was wollen Sie damit erreichen?
Zöller: Die Patienten kennen leiderihre Rechte oft nicht. Das gilt zu oft auchfür Kassen, Ärzte oder Krankenhäuser. Stutziggemacht hat mich, dass sich viele Problemesofort erledigen, wenn sich die Patientenbeschweren. Es besteht also der Verdacht,dass erst einmal versucht wird, die Patientenzu übervorteilen. Das kann doch aber nichtder Normalfall sein. Ich will deshalb erreichen,dass die in vielen Gesetzen verstreuten Patientenrechtegebündelt werden, um mehr Transparenz zu erreichen.
Muss es aber nicht auch um eine Ausweitungder Rechte gehen?
Zöller: Ich werde Anfang des Jahresein Eckpunktepapier vorlegen. Es ist zum Beispielnicht hinnehmbar, dass Krankenkassen Anträgeauf eine Rehabilitation oder einen Rollstuhlmonatelang verschleppen. Ich schlage vor,dass ein Antrag, der nicht innerhalb von vierWochen beschieden wird, automatisch als genehmigtgilt. Das dürfte die Bearbeitungszeiten deutlichsenken.
Vor allem bei Behandlungsfehlern habenPatienten oft Schwierigkeiten, ihre Rechtedurchzusetzen. Sehen Sie hier ebenfalls Handlungsbedarf?
Zöller: Die für Behandlungsfehlerzuständigen Gutachter- und Schlichtungsstellenbei den Ärztekammern haben ein Akzeptanzproblem.Viele Betroffene haben den Eindruck, dortwerde gemauschelt nach dem Motto: Eine Krähehackt der anderen kein Auge aus. Mein Vorschlagist daher, dass in diesen Schlichtungsstellenauch Patientenvertreter sitzen. Außerdem solltenbei den Gerichten öfter spezialisierte Kammernfür Medizinrecht eingerichtet werden, um dieDauer von Prozessen zu verkürzen. Dort solltenneben dem Richter zwei Schöffen vertretensein, ein Arzt und ein Patientenvertreter.
Es gibt die Forderung, bei Behandlungsfehlerneine Umkehr der Beweislast festzulegen, umden Patienten zu Ihrem Recht zu verhelfen.Unterstützen Sie das? Zöller: Derzeit ist es tatsächlichschwer für die Patienten, einem Arzt einengroben Fehler nachzuweisen. Eine völlige Beweislastumkehr,nach der der Arzt beweisen muss, dass er keinenFehler gemacht hat, halte ich jedoch für hochproblematisch.Denn dieser Nachweis ist ebenfalls extremschwierig. Das würde die Haftpflichtprämienfür Mediziner in unbezahlbare Höhen katapultieren.Am Ende würden diese Kosten wieder bei denVersicherten landen.
In Österreich gibt es einen Entschädigungs-Fondfür Patienten. Wäre das ein Modell für Deutschland?
Zöller: Einen derartigen Fonds, deraus Beiträgen von Ärzten, Krankenhauspatientenund Haftpflichtversicherern finanziert wird,werde ich anregen. Er sichert eine schnelleHilfe für die Betroffenen und könnte auchdazu beitragen, jahrelange Gerichtsprozessemit unsicherem Ausgang zu vermeiden. Stellteine Gutachterkommission fest, dass es einenBehandlungsfehler gab, könnte der Fonds soforteine Entschädigung zahlen.
Aber verführt das nicht die Ärzte zurNachlässigkeit?
Zöller: Der Klageweg wäre ja weiteroffen. Außerdem kann ich mir keinen Arzt vorstellen,der mit Blick auf einen derartigen Fonds beginnt,an seinen Patienten herumzupfuschen. Nein,jeder Arzt wird alles daran setzen, seinenPatienten optimal zu helfen. Da sehe ich keineGefahr.