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Geschichte Geschichte: «Berlin, nun freue Dich!»

17.12.2009, 07:01
Im Zentrum der Feier: Das Brandenburger Tor erstrahlt im Glanz der Festivitäten. (FOTO: DPA)
Im Zentrum der Feier: Das Brandenburger Tor erstrahlt im Glanz der Festivitäten. (FOTO: DPA) REUTERS pool

Berlin/dpa. - Der Himmel weinte vor Freude, und der RegierendeBürgermeister Walter Momper (SPD) rief der Menge zu: «Berlin, nun freue Dich!» Vor einer Kulisse von zehntausenden von Menschendurchschritten er und Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) vor 20 Jahrenam 22. Dezember 1989 als erste das wiedereröffnete Brandenburger Tor,wo sie auf östlicher Seite vom DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrowbegrüßt wurden. Kohl sprach von einer der glücklichsten Stundenseines Lebens. Beide hatten die Öffnung kurz zuvor bei ihrem erstenTreffen in Dresden vereinbart.

Der Ost-Berliner Oberbürgermeister Erhard Krack meinte: «Hiergehen Welten aufeinander zu.» Nie wieder, so wurde immer wiederbetont, auch in Erinnerung an die unseligen Fackelzüge der Nazis andieser Stelle, dürfe das Brandenburger Tor ein Tor des Krieges undder Bedrohung sein. Eine Inschrift aus Bronzelettern an dem am 6.August 1791 eröffneten Tor zeigte seit 1792 den Namen «Friedenstor»,ein Name allerdings, der sich trotz vieler späterer Friedensappellean diesem Ort gegen «Brandenburger Tor» nie durchsetzen konnte. ImDezember 1989 hieß es nun, das ehemalige Mahnmal der TeilungDeutschlands und Berlin werde als Tor der Freiheit in die Geschichteeingehen. Es war der Tag der Emotionen und großen Worte.

Auch der frühere Bundeskanzler und Berliner RegierendeBürgermeister Willy Brandt (SPD) war natürlich dabei, als Berlin seinaltes Wahrzeichen zurückerhielt, das 28 Jahre lang seit dem Mauerbauvom 13. August 1961, dem Trauma der meisten Berliner, eher Symbol derdeutschen Teilung war. Seine Öffnung war für die Berliner fast soetwas wie der Höhepunkt und Schlussstein des Mauerfalls vom 9.November 1989.

Und schon am Heiligabend 1989 wurde den West-Berlinern und allenBundesbürgern «freier Eintritt» ohne Visumpflicht und Zwangsumtauschnach Ost-Berlin und die DDR gewährt, quasi als Vorgriff auf die 1990sich immer rascher anbahnende deutsche Vereinigung, die der Ruf «Wirsind ein Volk» bei den Massendemonstrationen in Leipzig und Ost-Berlin bereits ahnen ließ.

«Juhu, nichts bezahlt!» freute sich aber schon am 22. Dezember einWest-Berliner, der gerade völlig durchnässt aber freudestrahlend überdie Grenze am Brandenburger Tor kam. Das Gedränge bei der Öffnung desBrandenburger Tores nahm beängstigende Ausmaße an, mehrere Menschenwurden verletzt, Gitter wurden niedergerissen, Kinder schrien, mancheMenschen brachen in Tränen aus. Das Deutsche Rote Kreuz sprach voneiner «psychologischen Überbelastung» in einzelnen Fällen.

Ähnliches mit leider noch tragischeren Folgen sollte sich bei deranschließenden riesigen Silvesterparty am Brandenburger Torwiederholen, als viele Menschen sogar bis zur Quadriga auf dem Torhochkletterten, die dabei auch beschädigt wurde. Sogar derLorbeerkranz wurde ihr abgerissen. Die traurige Bilanz der bis dahingrößten Silvesterfeier, die Berlin je erlebt hatte: Ein Toter (ein24-jähriger Student beim Einsturz einer Videowand) und mehrerehundert Verletzte.

Aber zu groß war die Freude der Berliner in Ost und West, «ihr»Brandenburger Tor nach all den Jahren mit Mauer und Sperranlagenwieder in Besitz nehmen zu können, von beiden Seiten aus, vom PariserPlatz im Osten und dem westlichen Platz vor dem Brandenburger Tor,der seit 2000 den Namen «Platz des 18. März» in Erinnerung an dieMärz-Revolution von 1848 trägt.

So war denn das vorherrschende Bild auch mehr von einerVolksfeststimmung geprägt. Wie schon in der historischen Nacht vom 9.November knallten die Sektkorken, und Menschen riefen immer wieder«Wahnsinn!» oder «Dass wir das noch erleben dürfen!» Schon wenigeTage waren unter Jubelrufen und Beifall zahlreicher Schaulustiger dieersten Stücke der mehrere Meter dicken Mauer am Brandenburger Tor vonBauarbeitern eingerissen worden. Eines von ihnen war mit derAufschrift «Irgendwann fällt jede Mauer» besprüht worden.

Kaum war die Mauer auch am Brandenburger Tor gefallen und beideStadthälften im Oktober 1990 wieder vereint, begann in den kommendenJahren der zum Teil historische Wiederaufbau des angrenzenden Arealsrund um das Brandenburger Tor. Dazu gehören heute unter anderem dieBotschaften der USA und Frankreichs, die Akademie der Künste, dasMax-Liebermann-Haus und das Hotel Adlon. Und schließlich zog hierauch das Kennedy-Museum ein nicht zuletzt auch in Erinnerung an denhistorischen Berlin-Besuch des US-Präsidenten John F. Kennedy im Juni1963, den die damals noch eingemauerten West-Berliner seine Rede vordem Schöneberger Rathaus nie vergessen haben mit dem Bekenntnis: «Ichbin ein Berliner!»

Ein ähnlich historisches Zitat hatte letztlich der damalige US-Präsident Ronald Reagan 1987 noch vor dem eingemauerten BrandenburgerTor gerufen: «Mr. Gorbatschow, tear down this wall!» (Mr.Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder).