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Geschäftsführende Regierung Geschäftsführende Regierung: Diese Politiker halten die Geschäfte am laufen

Von Markus Decker 05.12.2017, 19:02
Der Bundestag in Berlin
Der Bundestag in Berlin AP

Berlin - Eigentlich ist es kein gutes Zeichen: Von Angela Merkels schwarz-rotem Kabinett ist inzwischen ausgerechnet die Restzahl von 13 übrig. Die Minister Andrea Nahles, Alexander Dobrindt und Wolfgang Schäuble arbeiten schon in neuen Positionen, ihre Geschäfte haben frühere Kabinettskollegen der jeweils gleichen Partei übernommen. Dabei hat nicht nur die jüngste Zustimmung zur weiteren Glyphosat-Zulassung durch Agrarminister Christian Schmidt (CSU) gezeigt, dass auch eine „geschäftsführende“ Regierung noch Einfluss nehmen kann – obwohl sie formal keine eigenen Entscheidungen mehr treffen oder Gesetze auf den Weg bringen darf und nur die anfallende Arbeit bis zur Ernennung der Nachfolger erledigen soll.

Weil da viel Spielraum für den einzelnen Minister besteht, haben führende Sozialdemokraten jetzt sogar ein Arbeitsprogramm für die geschäftsführende Bundesregierung gefordert – das könne auch eine vertrauensbildende Maßnahme zwischen Union und SPD sein, erklärten etwa die Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, Manuela Schwesig und Stephan Weil. Ein kleiner Koalitionsvertrag, auch ohne Koalition? Fakt ist: In der Praxis stehen einige Termine an, die sich nicht vertagen lassen, bis eine neue Regierung steht – zumal einige Übergangsminister durchaus noch eigene Ambitionen zeigen. Ein Überblick:

Angela Merkel (CDU): Geschäftsführende Bundeskanzlerin

Innenpolitisch kann sich Kanzlerin Merkel auf die Regierungsbildung konzentrieren und symbolische Termine wahrnehmen wie das Treffen mit den Opfern und Angehörigen des Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt. Auf EU-Ebene stehen aber in den kommenden Wochen noch mindestens zwei Entscheidungen an, die europapolitisch von großer Bedeutung sind. Auf dem nächsten EU-Gipfel Mitte Dezember geht es auch um die Frage, ob die Gemeinschaft Verhandlungen mit den abtrünnigen Briten über die künftigen Beziehungen (etwa ein Handelsabkommen) aufnimmt. Bisher geht es bei den Brexit-Gesprächen allein um die Modalitäten der Trennung. Außerdem ist Merkel gefragt, wenn es um eine Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland geht. Diese laufen im Januar aus. Formal sind die Außenminister zuständig, aber ohne Rückendeckung der Regierungschefs geht hier nichts. (thk)

Sigmar Gabriel (SPD): Geschäftsführender Vizekanzler und Außenminister

Im politischen Berlin ist bereits von einem Comeback die Rede: Sigmar Gabriel ist zurück auf der Weltbühne – erstens, weil es ja nun noch dauert mit einer neuen Regierung; zweitens, weil die Chancen nicht schlecht sind, dass er bei einer neuen GroKo im Amt bleiben darf. Mit einer USA-Reise samt Treffen mit dem Amtskollegen Tillerson und einer außenpolitischen Ansprache am Dienstag machte Gabriel wieder von sich reden und spricht sogar von einer Neuausrichtung des Verhältnisses zu den USA: ambitioniert für einen kommissarischen Minister. Ohnehin springt Gabriel in die Lücke, die Merkel jetzt lassen muss. Alleine in den letzten drei Wochen war er in Bangladesch, Myanmar, Elfenbeinküste, Russland, USA und Frankreich. Botschaft: Deutschland bleibt handlungsfähig. (sgey)

Heiko Maas (SPD): Geschäftsführender Bundesjustizminister

Bundesjustizminister Heiko Maas twitterte vor ein paar Tagen: „In alle Gespräche sollten wir mit Offenheit und Optimismus gehen. Das letzte Wort werden am Ende ohnehin unsere Mitglieder haben. Und ich bin mir sicher: Wir können unseren Mitgliedern vertrauen.“ Es klang nach der Hoffnung auf eine neue Große Koalition. Aus Maas‘ Haus verlautet, während der Jamaika-Sondierungen habe man weitgehend abgewartet. Doch nach deren Scheitern sei klar, dass die Übergangsphase bis zur Bildung einer neuen Regierung länger als die üblichen zwei bis drei Monate dauere. So lange könne sich Deutschland eine passive Regierung nicht leisten. Deshalb werde man nun an die notwendige Umsetzung bestehender EU-Richtlinien gehen und demnächst auch wieder eigene Gesetze auf den Weg bringen. „Wir wollen nicht die Hände in den Schoß legen“, heißt es. „Die Regierung ist voll handlungsfähig.“ (mdc)

Peter Altmaier (CDU): Geschäftsführender Kanzleramts- und Finanzminister

Als Wolfgang Schäuble zum Bundestagspräsidenten gewählt wurde, übergab er sein unbestritten mächtiges Amt nahezu geräuschlos an einen ohnehin bereits einflussreichen Mann in Merkels Kabinett: Kanzleramtsminister Altmaier ist nun auch Finanzchef. Allerdings muss er – solange nichts Unvorgesehenes passiert – vorerst wenig tun, damit die Bundesrepublik weiter funktioniert. Denn zwar gibt es für das kommende Jahr noch keinen Haushaltsplan, weil der Bundestag wegen der Wahl noch keinen Etat beschlossen hat. Doch das Grundgesetz ermächtigt die Regierung, auf Basis des Vorjahres bis zur Verkündung eines neuen Haushaltes alle Ausgaben frei zu geben, die zur Aufrechterhaltung der Verwaltung und der Erfüllung aller rechtlichen Verpflichtungen notwendig sind. Heißt im Umkehrschluss: Altmaier kommt auch ohne Bundestag ans nötige Kleingeld. An internationalen Weichenstellungen ist er zudem beteiligt: Gemeinsam mit den anderen EU-Finanzministern erstellte er am Dienstag in Brüssel eine Liste von 17 Gebieten, die zu mehr Steuertransparenz bewegt werden sollen. Altmaier hält künftig aber auch handfeste Sanktionen für denkbar. (tms)

Christian Schmidt (CSU): Geschäftsführender Agrar- und Verkehrsminister

Einiges spricht dafür, dass Agrarminister Schmidt mit seiner Zustimmung für weitere fünf Jahre Glyphosat die Gunst der Stunde für ein Geschenk an Agrarlobby und Bauern nutzte. Mit der düpierten Noch-Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) – die wie Schmidt keine weitere Amtszeit mehr anstrebt – gab es bereits ein Versöhnungstreffen. „Trotz unterschiedlichen Positionen ist kollegialer Umgang wichtig“, erklärte Schmidt danach. Und Hendricks tadelte Umweltschützer, die aus Wut auf Schmidt mit Gewalt gedroht hatten. Weitere Alleingänge sind nicht mehr zu erwarten – zumal sein zweites Ressort, das vom neuen CSU-Landesgruppenchef Dobrindt übernommene Verkehrsministerium – außer der Pkw-Maut nie viel vorhatte. Und bei dem Thema bereden Berlin und Brüssel gerade die Details. (sgey)

Katarina Barley (SPD): Geschäftsführende Familien-, Frauen und Arbeits-/ Sozialministerin

Barley leitet neben dem Familienministerium auch das Fachgebiet Arbeit und Soziales geschäftsführend, weil die eigentliche Ministerin Andrea Nahles bereits SPD-Fraktionschefin ist – und eigentlich schon auf Oppositionskurs war. Als Familienministerin steht für Barley im Dezember eine Reise zum „Women20“-Frauengipfel in Argentinien an, konkrete Ergebnisse dürften aber nicht strittig sein. Ansonsten seien alle Vorhaben „abgearbeitet“, erklärt das Familienministerium auf Anfrage. Fast. Denn auch als geschäftsführende Arbeitsministerin pocht nun Barley auf das Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit, das schon im Koalitionsvertrag von 2013 vereinbart war. Die Forderung kann auch taktisch sein: In neuen Koalitionsgesprächen mit der Union könnte das Gesetz zur Verhandlungsmasse werden. In der Rente regelt Barley derweil alles geschäftsmäßig: Ende November beschloss das kommissarische Kabinett, dass die Beiträge zur Rentenversicherung von 18,7 auf 18,6 Prozent sinken – ein formaler Vorgang, der gekoppelt ist an die Einnahmen der Rentenversicherung. (cah)

Thomas de Maizière (CDU): Geschäftsführender Bundesinnenminister

Thomas de Maizière gehört zu denen, die sich nicht über die Nominierung Markus Söders als künftiger Ministerpräsident Bayerns freuen. Denn wäre das Amt an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gegangen, wären die Chancen des 63-jährigen CDU-Manns gestiegen, zu bleiben, was er ist. Nachlassen will er jedenfalls nicht: Am vorigen Donnerstag besuchte de Maiziere das Gemeinsame Terror-Abwehrzentrum in Berlin und erklärte, Deutschland sei dabei gut aufgestellt. Auch in der Abschiebefrage zeigt der Noch-Minister Präsenz: Abschiebeflug nach Afghanistan sind angesetzt, er legte öffentlichkeitswirksam ein Prämienprogramm für freiwillige Rückkehrer auf. Unklar ist, was aus der Aussetzung des Familiennachzugs für Kriegsflüchtlinge wird. Die FDP will im Bundestag eine Verlängerung beantragen. Da die Union aber nicht gemeinsam mit der AfD dafür stimmen will, hofft sie auf eine Lösung im Rahmen einer neuen Großen Koalition. Die SPD wehrt sich noch dagegen. De Maizière muss weiter abwarten. (mdc)