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Georgien fürchtet russische Invasion

10.08.2008, 07:02

Tiflis/Moskau/dpa. - In Georgien dauern die Gefechte unter Beteiligung russischer Kampftruppen an. In der Nacht zum Sonntag lag die Hauptstadt des abtrünnigen Gebietes Südossetien, Zchinwali, weiter unter Artilleriebeschuss von georgischer Seite.

Das teilte die südossetische Führung nach Angaben der russischen Agentur Interfax mit. Am Morgen seien die Angriffe abgeflaut. Tausende Menschen harrten den dritten Tag in der zerstörten Stadt aus. Georgische Medien berichteten, dass ein Militärflugplatz bei der georgischen Hauptstadt Tiflis getroffen worden sei.

Der Moskauer Radiosender «Echo Moskwy» berichtete, dass ein Teil der russischen Schwarzmeerflotte Richtung Abchasien unterwegs sei. Georgische Regierungsbeamte gingen davon aus, dass die Schiffe dort Bodentruppen für einen groß angelegten Angriff anlanden könnten.

Schon jetzt spitzt sich die Lage auch in Abchasien, der zweiten abtrünnigen georgischen Region, zu. Die Streitkräfte des international nicht anerkannten Gebietes rückten im Landkreis Gali gegen georgische Stellungen vor, wie das abchasische Militär am Sonntag nach Angaben der Agentur Interfax mitteilte. Etwa 100 Kilometer nördlich von Gali griffen Kampfbomber weiterhin den von Georgien kontrollierten oberen Teil des Kodori-Tals an.

Ein Abkommen von 1994 schreibt eine waffenfreie Zone für die innergeorgische Grenzlinie vor. Ebenso wie im Konfliktgebiet Südossetien sind in Abchasien russische Friedenstruppen stationiert. Die abchasischen Machthaber betrachten das gesamte Kodori-Tal als ihr Territorium. «Wir haben die georgischen Truppen aufgefordert, das abchasische Territorium zu verlassen. Aber sie weigern sich», sagte ein abchasischer Militärsprecher in der Hauptstadt Suchumi.

Georgiens Präsident Michail Saakaschwili hatte 2006 nach einer Polizeiaktion im oberen Kodori-Tal eine georgische Verwaltung errichten lassen. Im oberen Kodori-Tal leben wenige tausend Menschen. Die UN-Beobachtermission UNOMIG hatte ihre dort stationierten Militärbeobachter am Samstag abgezogen.

In der Nacht erklärte sich der UN-Sicherheitsrat wegen Russlands Verwicklung in die Feindseligkeiten für handlungsunfähig. Der amtierende Ratspräsident Jan Grauls (Belgien) verzichtete bei einer Dringlichkeitssitzung am Samstagabend darauf, die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand in der Region zur Abstimmung zu bringen. Angesichts der veränderten Lage vor Ort sei er zu dem Schluss gekommen, dass sich im Rat dazu keine gemeinsame Linie finden lasse, sagte Grauls in New York.

Russland, das ein Vetorecht im Sicherheitsrat hat, lehnte eine Waffenruhe ab. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin forderte ultimativ den Abzug georgischer Truppen aus der abtrünnigen Region Südossetien, erst dann könne über weitere Schritte gesprochen werden. «Das ist eine klare Bedingung», sagte er nach der Sitzung.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew sicherte den Menschen in Südossetien eine umfassende Wiederaufbauhilfe zu. Das teilte Medwedew bei einem Treffen mit Regierungschef Wladimir Putin bei Moskau mit. «Da ist im Grunde alles zerstört», berichtete Putin von Gesprächen mit Opfern des Krieges, die aus Südossetien über die Grenze nach Russland geflohen waren. Putin hatte bei seinem Besuch in der russischen Teilrepublik Nordossetien Georgien beschuldigt, einen «Völkermord» an den Südosseten zu begehen. Nach russischen Angaben soll es im Konfliktgebiet bereits «tausende Tote» geben. Die Führung in Tiflis bestreitet dies.

Putin reiste überraschend von den Olympischen Spielen in Peking in die kaukasische Konfliktregion. In Wladikawkas warnte er die NATO erneut scharf vor einer Aufnahme Georgiens. Die Regierung in Tiflis würde bei einer NATO-Mitgliedschaft andere Länder in ihre «blutigen Abenteuer» hineinziehen.

Die russischen Militärschläge gegen Georgien nannte Putin «begründet und juristisch legitim». Georgien habe mit der Militäroffensive in der abtrünnigen Region Südossetien einen «Völkermord» am ossetischen Volk begangen. Die Regierung in Tiflis habe damit der territorialen Einheit Georgiens «den Todesstoß» versetzt.

Die Präsidenten Polens, Litauens, Lettlands und Estlands verurteilten in einer gemeinsamen Erklärung das Vorgehen der russischen Streitkräfte. Polens Präsident Lech Kaczynski bezeichnete die russische Intervention als unvereinbar mit dem Völkerrecht und einen «Akt der Aggression». Abchasien und Südossetien seien Teile der Republik Georgien. Die vier Präsidenten forderten die NATO und EU auf, sich der «imperialistischen und revisionistischen Politik im Osten Europas» zu widersetzen. Der britische Verteidigungsminister Des Browne kündigte die Vermittlungsmission einer Delegation aus Vertretern von EU, USA und NATO an.