Treffen zur Einheit Frauenbrücke: Frauen aus dem Osten sind oft erfolgreicher

Berlin - Vor ein paar Wochen trafen sich Barbara Hackenschmidt und Gundula Grommé auf Bitten dieser Zeitung in einem Hotel unweit des Berliner Alexanderplatzes. Sie kamen aus sehr unterschiedlichen Richtungen.
Die 62-jährige Hackenschmidt, geboren und wohnhaft in Finsterwalde, kam aus Potsdam; sie ist SPD-Mitglied und Mitglied des brandenburgischen Landtags.
Grommé kam aus Burgsteinfurt im Münsterland, wo sie für ein Fintech-Unternehmen arbeitet. Abgesehen davon, dass beide jeweils drei Kinder haben, haben sie aber noch etwas gemeinsam. Grommé ist Vorsitzende des Vereins „Frauenbrücke Ost-West“ und Hackenschmidt ihre Stellvertreterin. Ja, man kann sagen, beide ziehen an einem Strang.
„Zeig mir, wie du lebst“
Gegründet wurde die Frauenbrücke 1992. Gründungsvorsitzende war Helga Niebusch-Gerich, die 1990 aus Baden-Württemberg kommend eine Reise in den Osten unternahm. „Was sie dabei erlebte, war zum Teil positiv“, sagt Gundula Grommé. „Aber zugleich hat sie gemerkt, dass es schon ein Jahr nach dem Fall der Mauer Verständigungsprobleme gab. Die Euphorie war weg.“
Mit anderen Frauen des Stammtisches der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) in Sinsheim habe Niebusch-Gerich dann einen Aufruf in der SPD-Parteizeitung „Vorwärts“ gestartet unter dem Motto „Zeig mir, wie du lebst“. Daraufhin gab es erste Treffen, in Chemnitz etwa und in Potsdam. Seit 1992 finden dreimal jährlich frauenpolitische Diskussionsforen statt, immer im Wechsel in Ost- oder Westdeutschland.
Am Anfang sei es inhaltlich vor allem um Fragen der Erwerbstätigkeit, soziale Rechte und Gewalt gegen Frauen gegangen, sagt Grommé. Inzwischen sei das Themen-Spektrum breiter. Längst wird die 256-köpfige „Frauenbrücke“ auch von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert.
Hackenschmidt rühmt, dass Statusunterschiede in den durchaus kontroversen Debatten überhaupt keine Rolle spielten. „Da unterhalten sich die Professorin und die Hartz IV-Empfängerin auf Augenhöhe“, sagt sie. „Die Frauen wollen wirklich verstehen.“
Frauen aus der DDR haben Stärke durch den Beruf erlangt
Wer sich mit den beiden Frauen trifft, der merkt im Übrigen sehr schnell, dass sie von gegensätzlichen Punkten auf einen gemeinsamen Nenner gekommen sind – wie überhaupt die Frauen aus Ost und West heute vielfach auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Hackenschmidt sagt, die hohe „Erwerbsneigung“ der Frauen in der DDR sei zum Teil der mangelnden Produktivität geschuldet gewesen. „Ich zum Beispiel habe ein Haus gebaut, hatte drei Kinder und habe trotzdem immer voll gearbeitet. Ich wäre gern länger zu Hause geblieben. Da hab ich den Vorwurf gekriegt: Der Staat braucht Sie, das geht nicht.“
Die Brandenburgerin fügt hinzu: „Dennoch haben uns viele Westfrauen beneidet, und zwar zurecht.“ Denn die Kinder hätten in den Krippen frühzeitig Teamfähigkeit gelernt, und die Frauen hätten sich „über Arbeit definiert“ und daraus Stärke bezogen, auch für die Gegenwart und nicht zuletzt für politisches Engagement.
Grommé erinnert sich, sie sei als Mutter „erdrückt“ worden „von den Erwartungen“. Die einen hätten im Westen beklagt, dass Mütter arbeiteten, die anderen, dass sie es nicht täten. Und noch heute nehme sie viele Frauen im Westen wahr, „die am liebsten über den ,Bachelor‘ oder ihre Kinder reden“. Doch „Gott sei Dank nimmt uns der Staat die Qual der Wahl jetzt ab“, fährt Grommé fort. „Denn indem er Kinderbetreuungsmöglichkeiten schafft, gibt er ein Signal von oben: Ihr könnt jetzt Euer Kind in die Betreuung geben. Das erleichtert es vielen Frauen, zu sagen: Das mache ich auch.“
Frauen aus dem Osten sind auch heute erfolgreicher
So oder so haben Ostfrauen nach 1989 gesamtdeutsch Maßstäbe gesetzt: Sie waren und sind häufiger berufstätig als Westfrauen, sitzen öfter in Führungspositionen, verdienen relativ gesehen mehr (in Cottbus oder Frankfurt/Oder sogar absolut gesehen mehr als Männer) und gewinnen politisch in fast allen Parteien an Gewicht.
Hackenschmidt glaubt, die Vereinigung habe die emanzipatorischen Fortschritte beschleunigt. Grommé zweifelt: „Die Frage ist ja, was passiert wäre, wenn es die Wiedervereinigung nicht gegeben hätte: Wäre dann beispielsweise die Infrastruktur bei der Kinderbetreuung trotzdem besser geworden? Ich denke schon.“
Ihr macht die gegenwärtige Entwicklung überdies große Sorgen. „Die Zustimmung für die AfD, mit all den Folgen auch für die Frauen, denen das vielleicht noch gar nicht so bewusst ist, das macht mir Angst und macht mich auch traurig“, stellt die Frau aus Nordrhein-Westfalen fest. „Manchmal plagt mich das Gefühl: Es ist alles sinnlos.“
Am Wochenende haben die Mitglieder der „Frauenbrücke“ abermals Gelegenheit, über diese und andere Fragen zu sprechen. Dann treffen sie sich zur Jahreshauptversammlung und zum anschließenden Frühjahrsforum in Wittenberg. Auch Barbara Hackenschmidt und Gundula Grommé werden dann wieder herbei eilen – aus unterschiedlichen Richtungen zum selben Ziel.