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Frank-Walter Steinmeier auf Iranbesuch Frank-Walter Steinmeier auf Iranbesuch: Im Gottesland in Gottes Hand

Von Steven Geyer 18.10.2015, 16:27
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (l, SPD) im Tehran Museum of Contemporary Art.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (l, SPD) im Tehran Museum of Contemporary Art. dpa Lizenz

Teheran - Was für eine Symbolik! Frank-Walter Steinmeier wird bei seinem allerersten Besuch im Iran gerade durch Teherans Museum für Moderne Kunst geführt – schon das ein Zeichen an die liberalen Kräfte der Islamischen Republik –, da präsentieren die Kulturfunktionäre dem deutschen Außenminister ein Schmuckstück: Das erste Modell des verhüllten Berliner Reichstags, mit dem der Künstler Christo 1977 den Bundestag und den West-Berliner Senat von seiner Vision begeistern wollte.

Heute weiß man, dass es bis zu ihrer Umsetzung noch 18 Jahre und eine Wiedervereinigung brauchte. Aber als damit noch kein Mensch rechnete, hat das iranische Museum Christos Modell gekauft. „Sehr weitsichtig“, staunt Steinmeier – und wohnt nun dem nächsten historischen Schritt bei: Irans Kulturministerium und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz unterzeichnen den Vertrag über eine Ausstellung in Berlin. Darum hatten sich führende westliche Häuser gerissen.

Denn es steckt viel dahinter: Iran ist im Aufbruch. Seit das Land im Juli nach langem, zähem Ringen das Atomabkommen mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland unterschrieben hat, wächst die Hoffnung, herrscht Tauwetter. Steinmeiers Besuch ist historisch: Seit 12 Jahren war kein deutscher Außenminister zu Gast, vor allem wegen des Streits um Irans Atomprogramm. Nun hofft der Westen, das Abkommen versperrt den Weg zu Atomwaffen, im Gegenzug entfallen westliche Sanktionen.

Steinmeier „bekanntes Gesicht“ im Iran

Dass Steinmeier bei den Verhandlungen eine wichtige Rolle spielte, wird zu seinem politischen Erbe gehören – und machte ihn hier zum „bekannten Gesicht“, wie sein Amtskollege Dschawad Sarif ihn preist. Der Iran fiebert dem Sanktionsende und den Investitionen aus dem Westen schon entgegen, auch die deutsche Wirtschaft ist in Goldgräberstimmung. Es geht um Milliardenaufträge. Steinmeiers Hotel ist voller Geschäftsleute aus aller Welt, am Frühstückstisch neben ihm schwärmt ein Erfurter Prokurist, der für eine Heizungsfachmesse in der Stadt ist, von Iran als „schlafendem Riesen“.

Auch Steinmeier ist wegen der Gunst der Stunde da: um das historische Fenster zu nutzen, den das Atomabkommen aus seiner Sicht aufstieß. Er will das gegenseitige Vertrauen stärken, das für dessen Erfolg noch wachsen muss, wie in Teheran zu spüren ist.

Nacheinander spricht er mit Außenminister Sarif, Parlamentspräsident Ali Laridschani und Präsident Hassan Ruhani – außergewöhnlich ausführlich, konstruktiv und intensiv, heißt es danach. Es geht ums Abkommen, das an diesem Sonntag in Kraft tritt. Steinmeier mahnt seine Gastgeber, die Vereinbarungen jetzt umzusetzen: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“

Und doch will Steinmeier noch mehr: vor allem den Schwung der Einigung für erste Annäherungen an einen Friedensvertrag für Syrien nutzen. Das ist im Moment so visionär wie einst die deutsche Einheit. Aber wann sonst, fragt Steinmeier, sollte man sondieren, wie sich „Brücken bauen“ lassen? „Wir sehen das Abkommen als Einstieg“, sagt er. „Die Region braucht mehr Diplomatie, nicht weniger.“

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Iran und Saudi-Arabien sind Schlüssel zum Frieden in Syrien

Nicht nur Deutschland ist überzeugt, dass der Schlüssel für den Frieden in Syrien in den beiden Ländern liegt, die Steinmeier besucht: zuerst Iran, dann Saudi-Arabien. Die Regionalmächte sehen den Syrien-Krieg als Schlacht um die Vormachtstellung in der Region: Die Saudis unterstützen die Assad-Gegner und bekämpfen die IS-Dschihadisten.

Der Iran ist, mit Russland, Assads wichtigster Helfer. Ohnehin mischen beide bei diversen Konflikten mit und laden sie so als sunnitisch-schittische Schlachten auf. Einen neuen Tiefpunkt erreichte die Feindschaft, als gerade in Mekka viele iranische Schiiten starben.

Steinmeier: Teheran soll Einfluss auf Assad nutzen

Steinmeier will beide Seiten dennoch bewegen. Er fordert den Iran zur konstruktiven Mitwirkung in Syrien auf. Teheran solle seinen Einfluss auf Machthaber Assad nutzen. Trotz des Streits über Assads Zukunft: „Wir haben ein gemeinsames Interesse daran, dass das Morden in Syrien ein Ende findet und Syrien als Staat erhalten bleibt.“

Dem stimmt Sarif sogar zu – wie die Iraner überhaupt einen freundlichen Ton anschlagen. Ohne allerdings nachzugeben: Sarif ätzt bei einem Ableger der Münchner Sicherheitskonferenz in Teheran gegen die aggressiven Sunniten, die für ihn von den Saudis bis zum IS reichen.

Anders als Steinmeier hält er die russischen Luftschläge in Syrien für hilfreich im Kampf gegen ISIS. Doch er verpackt das in freundliche Gesten: Der Iran sei bereit für eine „konstruktive Rolle“. Selbst die Assad-Frage umschifft er: Wenn der Staat erhalten und reformiert würde, komme es auf Personen nicht an. Und Assad? Im Gottesstaat liegt eben vieles in Gottes Hand.

Steinmeier entscheidet sich deshalb für die optimistische Lesart. Zwar betont er immer wieder, man müsse die Umsetzung des Atomdeals abwarten und dürfe keine schnelle Annäherung an die Saudis erhoffen. Und doch sagen seine Auftritte meist das Gegenteil: Er spricht von der positiven Dynamik des Abkommens, lacht, lobt.

„Wir sind hier nicht als Vermittler unterwegs“

Seine verspätete Ankunft im Museum entschuldigt er damit, dass er länger mit Präsident Ruhani gesprochen habe: „Das muss kein schlechtes Zeichen sein!“ Die Zivilgesellschaft spielt bei der Reise fast keine Rolle, auch Irans Menschenrechtsverletzung kaum.

Nicht nur der mitreisende Grünen-Außenpolitiker und Iran-Experte Omid Nouripour findet nach seinen eigenen Gesprächen mit iranischen Reformern, Politikern und Aktivisten den Optimismus für überzogen. „Das Atom-Abkommen ist eine großartige Leistung“, sagt er. „Aber man darf es jetzt nicht überfrachten, indem man schon die nächsten Forderungen damit verbindet.“

Noch sei der Deal fragil und innenpolitisch umstritten. Iran aber wähnt sich nun in gestärkter Position - warum sollte es jetzt nachgeben? Offen ist auch, wer Iraner und Saudis näherbringen könnte. „Wir sind hier nicht als Vermittler unterwegs“, betont Steinmeier am Sonntag noch einmal. Zu gering sei Deutschlands Einfluss in der Region. Doch die Iraner ermutigen Steinmeier, Deutschland möge die Rolle annehmen.

Im Außenamt wirkt man nicht, als hätte man es ungern gehört.

Steinmeier (vorne) und Mohammad Reza Nematzadeh (M), iranischer Minister für Industrie und Handel, trafen sich am Sonntag in Teheran.
Steinmeier (vorne) und Mohammad Reza Nematzadeh (M), iranischer Minister für Industrie und Handel, trafen sich am Sonntag in Teheran.
dpa Lizenz
Ali-Akbar Hāschemi Rafsandschāni, iranischer Ajatollah und Unternehmer (l.), mit Steinmeier.
Ali-Akbar Hāschemi Rafsandschāni, iranischer Ajatollah und Unternehmer (l.), mit Steinmeier.
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