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Fischerei Fischerei: Russische Piratenfahrt durchs Nordmeer verärgert Norwegen

Von Friedemann Kohler und Lennart Simonsson 20.10.2005, 14:26

Moskau/Oslo/dpa. - Russland hat einen neuen Nationalhelden. Inder stürmischen Barentssee entkam Kapitän Waleri Jaranzew mit seinemzwölf Knoten langsamen Fischtrawler «Elektron» der hochgerüstetenMarine Norwegens bis in heimische Gewässer. Zu seinem Fang gehörtenauch zwei norwegische Fischerei-Aufseher, die fünf Tage langgewissermaßen Jaranzews Geiseln waren und erst am Donnerstag wiederin die Obhut ihres Staates übergeben wurden.

Von Oslo aus gesehen ist Jaranzew ein ertappter Fischwilderer,der internationales Seerecht verletzt und eine riskante Fluchtbegangen hat. Aus russischer Sicht hat der Kapitän den überzogenenAnspruch Norwegens auf die reichen Fanggründe um die InselgruppeSpitzbergen zurückgewiesen. Doch keine Seite will einenFischereikrieg aus dem Zwischenfall machen. In der Polarregion sinddie Nachbarn Norwegen und Russland auf gute Zusammenarbeitangewiesen.

Kapitän Jaranzew sollte für seinen tollkühnen Streich mit Geldbelohnt werden, befanden 27 Prozent der Russen in einer Blitzumfrageder Boulevardzeitung «Komsomolskaja Prawda». 25 Prozent schlugen ihnfür den Orden «Held Russlands» vor. Nur 17 Prozent forderten eineBestrafung des Wilderers.

Am vergangenen Samstag brachte das norwegische Küstenschutzschiff«Tromsø» bei Spitzbergen die «Elektron» auf, weil die Russenangeblich mit zu dünnmaschigen Netzen fischten. Zwei Inspektorengingen an Bord und ordneten an, dass der Trawler zum norwegischenHafen Tromsö fahren solle. Dort hätten eine saftige Geldstrafe undwahrscheinlich die Beschlagnahme des Schiffes gedroht. «Der Trawlerwäre auf ewig dort geblieben», vermutet Gennadi Stepachno vomrussischen Fischfangverband.

Also machte Jaranzew die Norweger zu Geiseln und drehte ab inRichtung russische Gewässer. «Wenn nötig, riskiere ich auch eineKollision», warnte er über Funk. Nichts konnte ihn stoppen: WederLeuchtraketen, aus denen die russische Presse Bomben machte, nochangebliche Enterversuche oder ein von einem Hubschrauberabgeworfenes Netz.

Nach einem Tag Verfolgung drehten zwei norwegische Marineschiffeab, dafür sandte die russische Nordflotte dem Flüchtling eine ganzeArmada von Kriegsschiffen entgegen. Die zwei norwegischenInspektoren berichteten per Handy von Bord der «Elektron», siewürden gut behandelt. Allerdings seien sie die Gefangenschaft leid.

Norwegen beklagt zwar generell Probleme mit russischen Fischernin der beanspruchten 250-Meilen-Zone um Spitzbergen. Aber der neueAußenminister Jonas Gahr Störe sagte, der Zwischenfall sei keineinternationale Krise. Seine für Fischerei zuständige Kollegin HelgaPedersen vertraute darauf, dass Jaranzew wegen seiner Wilderei auchin Russland bestraft werde. Die russischen Behörden ließen sich amDonnerstag das belastende Material von den Norwegern übergeben. Dochwenn es nach Volkes Stimme geht, wird der Kapitän der «Elektron»nicht belangt werden: «Der Russe hat es dem Westen mal wiedergezeigt.»