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Fernsehen Fernsehen: Spielfilm über Contergan-Skandal darf gesendet werden

Von Norbert Demuth 05.09.2007, 08:58
Star-Bassbariton Thomas Quasthoff (48) machte trotz seiner Contergan-Behinderung (er kam ohne Arme zur Welt) Karriere. Der nur 1,35 Meter große Mann wurde Professor an der Musikhochschule in Detmold. (Foto: dpa)
Star-Bassbariton Thomas Quasthoff (48) machte trotz seiner Contergan-Behinderung (er kam ohne Arme zur Welt) Karriere. Der nur 1,35 Meter große Mann wurde Professor an der Musikhochschule in Detmold. (Foto: dpa) dpa

Karlsruhe/ddp. - Die Karlsruher Richter lehnten in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss die gegen die Ausstrahlung gerichteten Eilanträge des Aachener Pharmaunternehmens Grünenthal und eines früheren Opferanwalts ab. Die Firma und derRechtsanwalt wandten sich gegen Urteile des HamburgerOberlandesgerichts, das das vom Landgericht Hamburg verfügteAusstrahlungsverbot des TV-Zweiteilers «Eine einzige Tablette»aufgehoben hatte.

Das von Grünenthal zum 1. Oktober 1957 auf den Markt gebrachteSchlafmittel Contergan hatte bei Tausenden Neugeborenen zu schwersten Missbildungen geführt. 1961 wurde das Medikament vom Markt genommen. Ein Strafverfahren gegen mehrere Mitarbeiter des Unternehmens wurde 1970 eingestellt, nachdem das Unternehmen 100 Millionen D-Mark (rund 51 Millionen Euro) zur Entschädigung der Contergan-Opfer bereitgestellt hatte.

Der WDR ließ einen Spielfilm erstellen, der an das historischeGeschehen um Contergan unter Nennung dieser Arzneibezeichnung sowie der Herstellerfirma anknüpft. Im Mittelpunkt des bereits im Januar 2006 abgedrehten TV-Zweiteilers steht der Anwalt Paul Wegener, der als Vater eines contergangeschädigten Kindes einen Prozess gegen das verantwortliche Pharmaunternehmen anstrengt. Die Ausstrahlung ist für 7. und 8. November im Ersten geplant.

Die Filmhandlung schildert Bemühungen des Unternehmens, seineInanspruchnahme auf Zahlung einer solchen Entschädigung sowie einer Bestrafung von Mitarbeitern zu verhindern. Grünenthal und der damalige Opferanwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen, der sich in der Paul-Figur wiedererkannt zu haben glaubte, hatten an dem Drehbuch mehrere Passagen beanstandet, in denen sie eine Verdrehung der historischen Tatsachen und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten sahen.

Die Karlsruher Richter begründeten ihre Entscheidung mit einerFolgenabwägung. Eine Ausstrahlung des Films könne nicht die von den Klägern befürchtete schwerwiegende Beeinträchtigung ihresPersönlichkeitsrechts bewirken. Das OLG berücksichtige, dass dieFilmhandlung nicht den Eindruck erwecke, nach Art einesDokumentarspiels das historische Geschehen in sämtlichen Einzelheiten möglichst detailgetreu nachzubilden. Es gebe eine «Fülle von Abweichungen in den Charakteristika und Handlungsweisen der Filmfiguren».

Zudem sei das Anliegen des WDR zu berücksichtigen, den Film inzeitlichem Zusammenhang zu dem im Oktober anstehenden 50. Jahrestag der Markteinführung von Contergan auszustrahlen. Es stelle einen «schwerwiegenden Eingriff» in die Freiheit der Rundfunkanstalt zurGestaltung ihres Programms dar, wenn sie an der Erstausstrahlung desSpielfilms zu diesem bedeutsamen Zeitpunkt gehindert würde. DieVerbreitung eines unterhaltend aufgemachten Films in Anknüpfung aneinen «bedeutsamen zeitgeschichtlichen Jahrestag» könne auch deröffentlichen Meinungsbildung wichtige Anstöße vermitteln.

Über die Verfassungsbeschwerden, die die Kläger ebenfallseingelegt haben, hat das Bundesverfassungsgericht noch nichtentschieden.