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Extra Extra: Duft im Einweckglas

Von Katrin Löwe 23.05.2007, 19:33

Leipzig/Berlin/MZ. - Sie wirken winzig neben der blassgrünen Telefon-Abhöranlage. Fast unscheinbar, gesichert in einer kleinen Glasvitrine: fünf Einweckgläser, gefüllt mit gelben Staublappen und verschlossen mit Gummi und Metallbügel. Ein kleiner schwarzer Koffer verbirgt im Leipziger Stasi-Museum "Runde Ecke" weitere fünf dieser Erinnerungsstücke an perfide Überwachung. "Diese Geruchsproben sind das Symbol für die Stasi-Tätigkeit", sagt Museums-Mitarbeiter Tobias Hollitzer mit Betonung auf dem Wort "das". Sind sie auch Symbol für die neue Bundesrepublik?

Riechprobe genommen

Hollwitzer erklärt, Tausende solcher Proben seien 1989 bei der Stasi und der Leipziger Polizei gefunden worden. Sie stammten von mutmaßlichen Tätern, wurden aber von der Staatssicherheit der DDR überwiegend heimlich und auf Vorrat von Oppositionellen genommen. In dem von der Stasi veröffentlichten "Wörterbuch der politisch-operativen Arbeit" wird ausgeführt, wie eine "Geruchskonserve" anzulegen ist: Im Fall von Verdächtigen kann "konspirativ an den von ihnen getragenen Bekleidungsgegenständen" eine Riechprobe genommen werden, heißt es da. Das Verfahren, per Geruchsprobe Täter zu überführen, ist nicht nur von der Stasi, sondern auch von der DDR-Kriminalpolizei praktiziert worden. Darauf deutet eine Dienstanweisung des DDR-Innenministeriums von 1981 hin.

Die Sprecherin des Bundesjustizministeriums, Eva Schmierer, weist jeden Vergleich mit der DDR zurück. Als die Bundesanwaltschaft unlängst bei fünf oder sechs mutmaßlichen Linksterroristen Geruchsproben nehmen ließ, habe ein konkreter Tatverdacht vorgelegen. Zudem seien die Proben ein Indiz unter mehreren und würden nach einem Prozess vernichtet.

Das Wort Geruchsproben taucht in der Strafprozessordnung nicht ausdrücklich auf. Experten wie der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, sehen das Instrument allerdings durch eben jene Strafprozessordnung gedeckt. Es werde ansonsten selten angewandt, "weil es dazu kaum Gelegenheit gibt", so Freiberg weiter. In Strafverfahren seien Geruchsproben die Ausnahme, könnten aber Sinn machen, wenn weder Fingerabdrücke noch DNA-Spuren vorlägen. Denkbar ist darüber hinaus, mit Hilfe einer Geruchskonserve einzelne Menschen in einer größeren Menschenmenge zu identifizieren - etwa bei einer Demonstration gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm. Das jedoch, so der ehemalige hessische Datenschutzbeauftragte Rainer Hamm, "wäre rechtswidrig".

Ein ungutes Gefühl

Während Geruchsproben im Osten überwiegend und massenhaft von Regimekritikern genommen wurden, werden sie in dem aktuellen Fall von Kriminellen genommen - und diese Kriminellen sind zufällig politische Kriminelle. So lautet jedenfalls die offizielle Darstellung. Keineswegs seien aber alle Gegner des G-8-Gipfels betroffen. Das hätte in der DDR passieren können - bloß dass dort keine G-8-Gipfel stattfanden und gegen eine offizielle Veranstaltung nicht demonstriert werden durfte.

"Eine Stasi-Methode macht noch keine Stasi", findet Tobias Hollitzer. Dennoch bleibt bei ihm, der 1989 die Leipziger Stasi-Gebäude mit besetzte, ein ungutes Gefühl zurück. "Deutschland bewegt sich seit den Anschlägen vom September 2001 in einen Bereich, in dem der Rechtsstaat gefährdet wird. An der Geruchsprobe wird jetzt etwas fest gemacht, was schon lange läuft": Eine Vorratsdatenspeicherung und zunehmende Überwachung.