Europa-Parteitag der Grünen Europa-Parteitag der Grünen: Beer schrammt knapp an Niederlage vorbei

Dresden/MZ. - Wechselbad der Gefühle für Grünen-Chefin Angelika Beer beim Europa-Parteitag in Dresden: Erst scheitert die 46-jährige Frontfrau klar mit ihrer Kandidatur für Platz drei der Europa-Liste. Beim Gerangel um Platz fünf reicht es schließlich im Stichentscheid mit knapp 56 Prozent Zustimmung für den ersehnten Erfolg. Danach bekommt Angelika Beer viele Blumen und Bussis. Eine Zentnerlast fällt von ihr ab. Im Hintergrund strahlt ihr Neu-Ehemann Peter Matthiesen mit. "Es ist gerade noch mal gut gegangen", bilanziert eine grüne Fraktionsvorstandsfrau.
Das Führungsproblem der Grünen hat sich also nicht zu einer kapitalen Führungskrise ausgewachsen. Viele in den Reihen der Grünen raunen es, aber es schickt sich irgendwie nicht, offen darüber zu reden: Angelika Beer, gelernte Notarztgehilfin aus Schleswig-Holstein, wird als Parteichefin mehr ertragen als geschätzt. Den Rollenwechsel von der Verteidigungspolitikerin zur wegweisenden Partei-Generalistin habe sie nicht bewältigt, heißt es.
Nächstes Jahr, wenn sie mit ihrem Listenplatz fünf ins Europa-Parlament gelangt ist, will Angelika Beer den Parteivorsitz niederlegen, den sie seit einem Jahr gemeinsam mit Co-Chef Reinhard Bütikofer (50) inne hat. Der Wechsel bietet der populären Ex-Parteichefin Claudia Roth (48) die Chance, an die Parteispitze zurückzukehren.
Der Rückgriff auf altvertraute Gesichter scheint zum Erfolgsrezept der Grünen zu gehören: Die erprobte Gorleben-Aktivistin Rebecca Harms (46) kommt beifall-umrauscht auf Rang eins der Europa-Liste. Auf Platz zwei folgt Daniel Cohn-Bendit (58), Anführer der Studentenrevolte 1968 in Frankreich und Weggefährte Joschka Fischers seit dessen Frankfurter Apo-Zeit. Die Nummer eins der Grünen Jugend, Benjamin von der Ahe (27), muss sich mit Platz 14 zufrieden geben. Die größte magnetisierende Wirkung innerhalb der grünen Parteifamilie entfaltet nach wie vor Außenminister Joschka Fischer (55). Wegen des EU-Außenministertreffens in Neapel gelangt sein kämpferisches 20-Minuten-Grußwort per Video-Leinwand in den Kongress-Saal - und viele Delegierte fühlen sich fast schon messianisch beglückt.
Beim Abarbeiten der Antragsflut nörgelt die Partei ein wenig an den Sozialdemokraten herum. Gerade die mehrfach durchgespülte Resolution zur Vermögensteuer zeigt aber: Die Grünen positionieren sich SPD-nah. Sie wagen derweil nicht den mutigen Sprung auf jenes Terrain, das eine schwarz-grüne Perspektive eröffnen könnte, stellt ein CDU-Beobachter kühl fest.