Ende des Kopftuchverbots in Türkei rückt in greifbare Nähe
Ankara/dpa. - Erstmals in der jüngeren Geschichte der Türkei sollen Frauen mit streng islamisch gebundenem Kopftuch an den Hochschulen des Landes studieren dürfen.
Nach einer turbulenten Debatte hat die von der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP angestrebte Aufhebung des umstrittenen Kopftuchverbots in der Nacht zum Donnerstag die erste Hürde im Parlament genommen. Nach zwölfstündiger Debatte stimmten 404 der 550 Abgeordneten der Nationalversammlung von Ankara einer entsprechenden Verfassungsänderung zu.
Die Regierungspartei AKP wird bei ihrem Gesetzesvorstoß von der nationalistischen Oppositionspartei MHP unterstützt. Die beiden Parteien, die die Änderung gemeinsam ins Parlament eingebracht haben, verfügen über 410 der 550 Mandate und damit über eine ausreichende Mehrheit. Das abschließende Votum ist für diesen Samstag anberaumt. Bei Verfassungsänderungen sind in der Türkei zwei Abstimmungen im Abstand von 48 Stunden vorgeschrieben.
Die von der AKP seit Jahren angestrebte Aufhebung des Kopftuchverbots stößt auf heftigen Widerstand des weltlich ausgerichteten Lagers, einschließlich der mächtigen Armee. Die Gegner werfen der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vor, eine schleichende Islamisierung der Türkei zu betreiben und die von Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk verfügte Trennung von Staat und Religion aufzuweichen.
Die seit Ende 2005 regierende AKP war im vergangenen Sommer nach einer Machtprobe mit der Militärführung gestärkt aus einer vorgezogenen Parlamentswahl hervorgegangen. Die Armee, die sich traditionell als Bewahrer des Erbes Atatürks versteht, hatte vergeblich zu verhindern gesucht, dass Außenminister Abdullah Gül vom Parlament zum Staatspräsidenten gewählt wurde. Auch dessen Frau trägt das islamische Kopftuch.
In der Hauptstadt Ankara hatten kürzlich mehr als 100 000 Menschen gegen eine Zulassung des Kopftuches an den Hochschulen protestiert. Unter den Demonstranten, die Schilder mit Aufschriften wie «Die Türkei ist nicht der Iran» trugen, waren zahlreiche Frauengruppen. Die oppositionelle Republikanische Volkspartei CHP will das Verfassungsgericht anrufen, falls die Änderungen vom Parlament verabschiedet werden sollten.