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Ex-Kanzler Ehemaliger Bundeskanzler: Gerhard Schröder rechnet mit Angela Merkel ab

Von Karl Doemens 16.03.2016, 15:10
Altkanzler Gerhard Schröder
Altkanzler Gerhard Schröder dpa

Berlin - Der Ex-Kanzler kennt die Situation: Die Unterstützung des eigenen Lagers erodiert, ein neuer radikaler Wettbewerber wildert in der Anhängerschaft, und dann geht noch ein Stammland verloren. So war das im Frühjahr 2005 nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen, und es war der Anfang von Gerhard Schröders politischem Ende. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass sich der SPD-Politiker a.D.  ausgerechnet nach dem CDU-Wahldebakel in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu Wort meldet und in sachlich-kühlem Ton mit der Politik seiner Nachfolgerin Angela Merkel abrechnet.

Eigentlich arbeitet Schröder in Hannover als Anwalt. Gelegentlich äußert er sich zur Weltlage oder  verteidigt seinen Freund Wladimir Putin. Aus der Tagespolitik hält er sich weitgehend heraus. Einmal, zum Anfang des Jahres, hat er gesagt, dass Merkel bei der Öffnung der Grenzen im September „viel Herz, aber wenig Plan“ gezeigt habe. Nun konkretisiert er in der Wochenzeitung „Die Zeit“ seine Vorwürfe.

Fehlende Abstimmung mit Frankreich

Das größte Versäumnis in der Flüchtlingskrise, so Schröder, sei Merkels fehlende Abstimmung mit Frankreich gewesen: „Das ist ein Grund, warum Deutschland in der EU jetzt politisch isoliert ist.“ Ohne Paris könne man auch keinen Druck auf die Osteuropäer aufbauen. „Helmut Kohl lag nicht so falsch, als er sagte, ein Bundeskanzler müsse die Trikolore immer zweimal grüßen“, stellt Schröder seiner Nachfolgerin den gemeinsamen Vorgänger entgegen.

Auch an Merkels Türkeipolitik lässt der SPD-Mann kein gutes Haar. Tatsächlich hatte er gemeinsam mit Tony Blair 2004 die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen vorangetrieben. Die Union stellte sich quer und wollte nur eine privilegierte Partnerschaft. Daraufhin, so Schröder, hätten sich wichtige Teile der türkischen Gesellschaft abgewandt – mit der Konsequenz, „dass wir uns heute die  Zusammenarbeit mit der Türkei teuer erkaufen müssen. Insofern ist das Konzept der privilegierten Partnerschaft krachend gescheitert.“

Merkel für Afd-Erfolg verantwortlich

Innenpolitisch macht Schröder die Union direkt für die Erfolge der AfD verantwortlich. „CDU und CSU haben über Jahrzehnte den Eindruck erweckt, wir seien kein Einwanderungsland.“ Diese Politik habe Merkel von einem Tag auf den anderen aufgegeben: „Der radikale Kurswechsel hat die bürgerlichen Wähler verunsichert.“

Die Integration der Flüchtlinge sieht Schröder als Jahrhundertaufgabe. Er räumt ein, dass ein Teil der SPD-Anhänger für eine strikte Begrenzung des Zuzugs sei. Eine internationale Partei wie die SPD könne aber nur eine offene Flüchtlingspolitik betreiben und müsse dafür sorgen, dass massiv in  Wohnungsbau, Polizei und soziale Sicherheit investiert werde. Damit  unterstützt er das Solidarpaket von SPD-Chef Sigmar Gabriel. Doch fordert er von den Genossen mehr Mut in der Auseinandersetzung mit CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble: „Das Geld muss aufgebracht werden. Wenn wir die Integration nicht schaffen, zerreißt es die Gesellschaft“, mahnt der Alt-Kanzler: „In einer solchen Situation darf die Regierung die schwarze Null nicht zum Maß aller Dinge machen.“