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Drogen- und Suchtbericht 2008 Drogen- und Suchtbericht 2008: Saufen bis der Arzt kommt

Von Basil Wegener 05.05.2008, 11:36

Berlin/dpa. - «Sie haben da genauso den Sohn des Arbeitslosengeld-II-Empfängers dabei wie die Tochter von Millionärshaushalten», sagte die Drogenbeauftragte Sabine Bätzing (SPD) am Montag bei der Vorstellung des Drogen- und Suchtberichts 2008 in Berlin.

Die Zahlen deuten auf ein massives Entwicklungs- undGesundheitsrisiko bei einem großen Teil der jungen Generation hin.Nicht mehr 20 Prozent wie vor drei Jahren, sondern 26 Prozent hattensich laut Umfragen 2007 im jeweiligen Vormonat mindestens ein Malhemmungslos betrunken. 19 500 Menschen zwischen 10 und 20 Jahrenkamen 2006 mit akuter Alkoholvergiftung ins Krankenhaus, nach 9500sechs Jahre zuvor. Durchschnittlich 50,4 Gramm Alkohol tranken 12-bis 17-Jährige im vergangenen Jahr pro Woche - mehr als zwei Halb-Liter-Biere; 2005 waren es 16 Gramm weniger. Und das obwohl dergelegentliche Konsum von Alkohol bei Schülern insgesamt sogarzurückging.

Noch vor wenigen Jahren schienen Befragungen der Bundeszentralefür gesundheitliche Aufklärung Anlass für Entwarnung zu geben. NachEinführung einer Sondersteuer auf die beliebten süßlichen Alkopopsging der Alkoholkonsum Jugendlicher nach 2004 zurück. Doch vielestiegen auf Bier und anderes um. 16- bis 17-jährige Jungen trankenden Befragungen zufolge 2007 im Schnitt zwei Gläser alkoholischeGetränke - und zwar an jedem Tag der Woche.

Guter Rat scheint da teuer zu sein. Vor einem halben Jahr wollteFamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Einsatzjugendlicher Testkäufer gegen verbotenen Alkoholverkauf anMinderjährige erlauben. Nach massivem Protest gegen die angebliche«Spitzelmethode» zog sie den Plan zurück. Bätzing will die Idee «nochnicht komplett abschreiben». Sie klagt: «Es ist sehr leicht,heutzutage an Alkohol heranzukommen.» Experten schlugen zudemunlängst konsequente Werbeverbote vor. Ausschließen will Bätzingsolch drastische Maßnahmen nicht. Aber zunächst zielt sie auf einebessere Selbstkontrolle der Hersteller ab.

Auffällig ist, dass die Bundesbeauftragte kaum konkreteZielvorgaben macht. Der Anteil der Raucher unter den Jugendlichensolle im laufenden Jahr nach einem bisherigen Rückgang weiter umeinen Punkt auf 17 Prozent sinken. Nächstes Jahr solle es auch beianderen Suchtstoffen Ziele geben.

Ähnlich hoch wie in den vergangenen Jahren ist die Zahl der Totendurch Tabak und Alkohol insgesamt in Deutschland: 140 000 Menschensterben laut Bericht durchs Rauchen, 3300 durch Passivrauchen und42 000 an den Folgen des Trinkens. Jeder dritte Bundesbürger raucht,mehr als jeder zehnte trinkt riskant viel Alkohol. Zumindest demRauchen in Kneipen und Restaurants wird durch die Verbote über kurzoder lang wohl dauerhaft Einhalt geboten. Bätzing konnte auf Umfragenverweisen, denen zufolge 71 Prozent der Deutschen die Rauchverbotegut finden. Licht und Schatten dagegen gibt es bei Cannabis: So istmit 600 000 Betroffenen die Zahl der Risikokiffer in etwaunverändert. Weniger Jugendliche als in den vergangenen Jahren habendagegen schon einmal einen Joint probiert, da weniger rauchen.

Immer wieder gibt es bei Sucht und Drogenkonsum überraschendeTrendwenden. Im aktuellen Bericht fällt auf, dass die Zahl derDrogentoten nach einem historischen Tiefstand 2007 um 98 auf 1394Menschen hochschnellte. Der genaue Grund ist noch unbekannt. EineRolle mag laut Bätzing spielen, dass viele Heroinabhängige in dieJahre gekommen sind, ihre Belastungen aber nicht dauerhaftauszuhalten sind. Insgesamt rücken die illegalen Drogen außerCannabis wegen abnehmender Anteile etwas aus dem Fokus derDrogenpolitik.

Ihr Eintreten gegen Rauchen und Trinken brachte Bätzing in denvergangenen Monaten reichlich Gegenwind. So hätten die deutschenBierbrauer sie als Spaßbremse kritisiert, sagt die Politikerin. «Esgeht hier nicht um das eine Glas Bier oder das eine Glas Wein», hältsie dem entgegen, «es geht um Missbrauch und Abhängigkeit». Anderengehen politische Vorstöße dagegen nicht weit genug. So wirft dieDeutsche Hauptstelle gegen Suchtgefahren der Bundesregierung wegenihres Zögerns bei Werbeverboten Halbheiten vor.