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6000 Tote durch Diesel im Jahr 2014 Diesel: 6000 Tote durch Stickstoffdioxid-Belastung - Wie kommen solche Studien überhaupt zustande?

19.03.2018, 15:58
Dem Dieselmotor droht in Städten ein Fahrverbot.
Dem Dieselmotor droht in Städten ein Fahrverbot. dpa

Berlin - 6000 vorzeitige Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Jahr 2014 führt das Umweltbundesamt auf die Belastung mit Stickstoffdioxid zurück. Über die kürzlich veröffentlichte Studie mit diesem Ergebnis berichtete auch diese Zeitung. Eine der bedeutendsten Quellen des Reizgases in dicht besiedelten Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr mit einem Anteil von etwa 60 Prozent. Wiederum knapp drei Viertel dieser Belastung gehen von Dieselfahrzeugen aus, die künftig in Innenstädten genau deswegen verboten werden könnten.

Seit die Studie präsentiert wurde, gibt es eine mitunter emotional geführte Debatte darüber, wie belastbar die Zahlen des Umweltbundesamtes (UBA) seien. Die „Bild“ schrieb auf ihrer Titelseite von einer Verfälschung der Ergebnisse, das Umweltministerium pfusche „mit Tausenden Diesel-Toten“. Der Kolumnist Jan Fleischhauer sprach bei „Spiegel Online“ von „erfundenen Toten“ und auch in Leserbriefen wird Skepsis gegenüber der Vorgehensweise des UBA geäußert.

Todesursache wird nicht in Statistiken aufgeführt

Kritisiert wird, dass es doch gar nicht möglich sei, einen Herzinfarkt oder eine andere Erkrankung konkret einer hohen Stickstoffdioxid-Konzentration zuzuschreiben. Das stimmt – und das UBA wies auf diesen Umstand bei der Präsentation der Studie hin. Einen statistischen Zusammenhang zwischen der Belastung mit Stickstoffdioxid und Herz-Kreislauf-Erkrankungen belege sie aber dennoch.

Das UBA hat für seine Studie weder Gesundheitsdaten selbst erhoben noch einzelne Todesfälle händisch überprüft und so die Todesursache im Einzelfall festgehalten. Das ist auch nicht möglich, da die Ursache einer tödlichen Krankheit in offiziellen Statistiken nicht aufgeführt wird. Stirbt ein Mensch an Lungenkrebs, steht im Totenschein nicht die mögliche Ursache, zum Beispiel Rauchen, sondern der Krebs selbst.

Verschiedene Untersuchungen fließen mit ein

Im vorliegenden Fall hat das UBA zunächst vorangegangene epidemiologische Studien ausgewertet. In solchen Untersuchungen wird erforscht, welche Risikofaktoren sich auf die Gesundheit der Menschen auswirken. Konkret wurden solche Studien einbezogen, in welchen Personen mit einer hohen Stickstoffdioxid-Belastung mit solchen verglichen werden, die einer niedrigeren Stickstoffdioxid-Konzentration ausgesetzt sind. Daraus, schreibt das UBA, könne abgeleitet werden, „wie hoch bei bestimmten Stickstoffdioxid-Konzentrationen das Risiko zu erkranken oder versterben ist“.

Die Untersuchungen, die in die UBA-Studie eingeflossen sind, stammen unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation WHO, der amerikanischen Umweltbehörde EPA, dem Schweizerischen Tropen- und Public Health Institut sowie der kanadischen Regierung. Aus den Ergebnissen schloss das Bundesamt, dass zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stickstoffdioxid ein klarer statistischer Zusammenhang besteht.

Keine präzise Hochrechnung

Die gewonnenen Daten kombinierte das UBA mit der Bevölkerungsdichte sowie Mess- und Modelldaten zu Stickstoffdioxid. Die Informationen zum mathematischen Risiko wurden dann genutzt, um den Anteil von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu ermitteln, die in Deutschland auf die Belastung mit Stickstoffdioxid zurückzuführen sind.

So wurde ein Mittelwert von rund 6000 vorzeitigen Todesfällen für das Jahr 2014 ermittelt. Diese Hochrechnung nähert sich der Realität zwar an, ist aber nicht präzise, auch diesen Umstand gibt das UBA in seiner Studie wieder. Demnach variiert die Zahl der sogenannten attributablen Todesfälle im Jahr 2014 von gut 2000 bis etwa 9900. Das Bundesamt verteidigt indes die Studie und ihr Ergebnis gegen die Kritik: „Es ist das Ergebnis einer wissenschaftlich üblichen Vorgehensweise“, sagt Dietrich Plaß, ein Wissenschaftler der Behörde, der die Studie begleitet hat.

„Die Hochrechnungen des Bundesumweltamtes beruhen auf derzeit verfügbaren wissenschaftlichen Grundlagen und etablierten Methoden“, sagt Nino Künzli, Vizedirektor des Schweizerischen Tropen- und Public Health Instituts in Basel, der die Untersuchung studiert hat. Auch Bert Brunekreef, Professor für Umweltepidemiologie an der Universität Utrecht, sagt: „Der Bericht verwendet grundsätzlich eine Methodik, die dem neuesten Stand der Technik entspricht.“