Umweltbundesamt Umweltbundesamt: 6000 Todesfälle im Jahr 2014 auf Stickstoffdioxid zurückzuführen

Berlin - Der vorzeitige Tod von rund 6000 im Jahr 2014 in Deutschland an Herz-Kreislauf-Erkrankungen gestorbenen Menschen lässt sich statistisch auf die Belastung mit Stickstoffdioxid zurückführen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Umweltbundesamts, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Außerdem geht die Studie davon aus, dass bereits niedrige Stickstoffdioxid-Konzentrationen in der Luft gesundheitsschädlich sind, auch solche unterhalb gültiger Grenzwerte.
Auch Krankheiten wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Schlaganfälle und Asthma stehen laut der Studie im Zusammenhang mit der Reizgas-Konzentration. So seien acht Prozent der Erkrankungen mit Diabetes mellitus in Deutschland 2014 auf Stickstoffdioxid in der Außenluft zurückzuführen: „Dies entspricht etwa 437.000 Krankheitsfällen“, sagte Myriam Tobollik, Gesundheitswissenschaftlerin des Umweltbundesamtes. Bei bestehenden Asthmaerkrankungen liege der Anteil mit rund 14 Prozent – das sind etwa 439.000 Fälle – sogar noch höher. Insgesamt seien im Jahr 2014 mehr als eine Million Menschen krank gewesen, weil sie über lange Jahre Stickstoffdioxid ausgesetzt waren. Man könne davon ausgehen, dass die Zahl aktuell ähnlich hoch liege, sagte Tobollik.
„Hauptquelle Diesel-Verbrennungsmotoren und Feuerungsanlagen“
Auch zu den Ursachen für hohe Stickstoffdioxid-Konzentrationen äußert sich die Studie: „Die Hauptquellen für die durch Menschen verursachten Stickoxid-Emissionen in Deutschland sind Diesel-Verbrennungsmotoren und Feuerungsanlagen für Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle“, heißt es. In dicht besiedelten Ballungsgebieten sei der Straßenverkehr mit einem Anteil von etwa 60 Prozent eine der bedeutendsten Stickoxid-Quellen. Die Präsidentin des Umweltbundesamtes Maria Krautzberger ergänzte, für knapp Dreiviertel der vom Straßenverkehr verursachten Belastung seien Diesel-Fahrzeuge verantwortlich. Dies sei zudem „auch außerhalb der hochbelasteten Straßen“ der Fall, so Krautzberger.
Die Grundlage der Studie des Umweltbundesamtes bildet eine Reihe von Untersuchungen, die sich mit den Gesundheitswirkungen von Stickstoffdioxid befasst haben. Diese sogenannten epidemiologischen Studien ermöglichen zwar keine Aussage über die konkrete Ursache eines einzelnen Todesfalls oder einer einzelnen Erkrankung, liefern jedoch statistisch belegbare Zusammenhänge.
Risiko steigt bei Spitzenbelastungen um 50 Prozent
Die Wissenschaftler haben in der Studie nur Krankheiten berücksichtigt, die mit hoher statistischer Gewissheit in Zusammenhang mit Stickstoffdioxid-Belastungen stehen. Zudem wurde lediglich die normale Reizgas-Konzentration berücksichtigt, von der Norm abweichend hohe Konzentrationen an vielbefahrenen Straßen wurden nicht einbezogen. Es sei sogar davon auszugehen, dass diese „bewusst vorsichtigen Annahmen“ zu einer Unterschätzung der Krankheitslast führten „und tatsächlich mehr Menschen an Auswirkungen zu hoher Stickoxid-Konzentrationen leiden“, teilte das Umweltbundesamt mit.
Lediglich für Berlin und München als Modellregionen für Ballungsgebiete und Brandenburg für Flächenländer hat das Umweltbundesamt auch den Einfluss von Spitzenbelastungen beurteilt: Das Risiko, aufgrund der Belastung mit Stickstoffdioxid zu erkranken, steige hier demnach um bis zu 50 Prozent gegenüber den Regionen, in denen nur die übliche Belastung zugrunde gelegt wurde.
„Studie muss aufrütteln“
Maria Krautzberger sagte, die Studie zeige, wie sehr Stickstoffdioxid der Gesundheit in Deutschland schade. „Wir sollten alles unternehmen, damit unsere Luft sauber und gesund ist“, so Krautzberger. Dazu müsse der Verkehr „zivilisiert“ und Mobilität in eine andere Zukunft geführt werden. „Man braucht intelligente Verkehrskonzepte, die mit möglichst wenig Individualverkehr auskommen.“
„Die Studie des Umweltbundesamtes muss aufrütteln. Denn Stickoxide sind hochgefährlich und sogar tödlich für die Menschen“, sagte Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag. Von der Bundesregierung forderte er eine Offensive für den öffentlichen Nahverkehr. „Ein mutloses Weiter-so in der Verkehrspolitik der Bundesregierung wäre fahrlässig und unverantwortlich.“ Außerdem, so Hofreiter, dürfe die Bundesregierung Städten nicht länger die blaue Plakette vorenthalten. Diese könnte künftig Diesel-Fahrzeuge kennzeichnen, die die Grenzwerte einhalten – das Verkehrsministerium lehnt die Plakette bislang jedoch ab.
Die vereinbarten Grenzwerte in den Kommunen müssten eingehalten werden, sagte Sören Bartol, für Verkehr zuständiger stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD. „Damit das gelingt, dürfen sich die Hersteller nicht weiter davor drücken, ältere Dieselfahrzeuge zügig technisch umzurüsten.“
Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz, sagte, die Bundesregierung müsse an Diesel-Fahrzeugen als Belastungsquelle ansetzen. Wirksame Hardware-Nachrüstungen auf Kosten der Hersteller und die Einführung einer blauen Plakette seien das Gebot der Stunde. „Die Untersuchungen des Umweltbundesamtes belegen, dass die Stickoxide nicht nur an ein paar wenigen, vielbefahrenen Straßen gefährlich sind.“