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Die Lager im Asyl-Streit Die Lager im Asyl-Streit: Das sind die Interessen und Motive der Führungsköpfe

Von Daniela Vates 17.06.2018, 13:26
Sind sich aktuell nicht einig: Horst Seehofer und Angela Merkel (r.)
Sind sich aktuell nicht einig: Horst Seehofer und Angela Merkel (r.) AP

Berlin - Die CSU hat eine Frist bis Montag gesetzt: Ein Beschluss des Parteivorstands soll den Startschuss dafür geben, dass Parteichef Horst Seehofer als Bundesinnenminister die von ihm geplanten Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze anweist. Es wäre ein Affront gegen Merkel. Die lehnt dieses Vorgehen ab, weil es noch nicht mit den anderen europäischen Ländern abgestimmt ist. Sie hat die CSU dafür um eine Frist von 14 Tagen gebeten.

Die kann ihr Seehofer natürlich gewähren, etwa indem er erklärt, er werde nun erst seinen so sorgsam unter Verschluss gehaltenen so genannten „Masterplan“ für Migrationspolitik nun auch mal vorzulegen und die Meinungsbildung der Koalition darüber abzuwarten. Setzt er sich allerdings über Merkels Linie hinweg, könnte dies eine Kaskade auslösen, die die Regierung zerbrechen lassen könnte: Ein Rauswurf Seehofers könnte einen Rückzug der CSU aus der Koalition auslösen.

Parteivorstand von Merkel für CDU einberufen

Die CDU hat daher für Montag vorsorglich auch ihren Parteivorstand einberufen. Alle Termine der Kanzlerin für die kommende Woche stehen unter Vorbehalt. Einer allerdings ist von besonderer Bedeutung: Am Montagabend kommt der neue italienische Ministerpräsidenten Giuseppe Conte zu seinem Antrittsbesuch ins Kanzleramt. Unter anderem mit Italien will Merkel eines der Rückführungsabkommen schließen – für sie die Voraussetzung dafür, Flüchtlinge an der Grenze abweisen zu können.

Die Lager stehen sich gegenüber.

Die CDU-Seite

Angela Merkel

Sie steht im Zentrum des Konflikts, nicht nur weil sie Bundeskanzlerin ist, sondern auch weil die Flüchtlingspolitik mit ihrem Namen verbunden ist. Wenn also die CSU fordert, das Asylrecht „vom Kopf auf die Füße“ zu stellen und von Systemversagen spricht, ist dies ein Misstrauensvotum gegen Merkel. Die hat ihre Entscheidung vom Herbst 2015, die deutschen Grenzen nicht zu schließen, stets als humanitär und rechtmäßig verteidigt. Sie hat seitdem die Asylpolitik deutlich verschärft ohne dies unbedingt so zum Ausdruck zu bringen. Ihr Drängen auf europäische Lösungen liegt auch in der Erfahrung von 2015 begründet: Damals gab es keine Absprachen zwischen den EU-Ländern. Merkel gilt als druckresistent und geduldig. Wenn allerdings die CSU und Seehofer Fakten schaffen, könnte die 63-Jährige zu einer Reaktion gezwungen sein.

Volker Kauder

Der Unions-Fraktionsvorsitzende unterstützt Merkel in seinem Amt seit deren erster Amtsperiode. In der vergangenen Woche hat er die Kanzlerin allerdings alleine gelassen: Auf die spontane Debatte in der Fraktion über Seehofers Vorhaben am Dienstag war er nicht vorbereitet. Es meldeten sich aber ein gutes Dutzend Abgeordnete, die sich nahezu alle hinter Seehofer stellten. Kauder, der in dieser Wahlperiode versuchen wollte, der Fraktion mehr Freiraum gegenüber der Regierung zu geben, ließ die Debatte laufen. Dass Merkel dadurch als Kanzlerin ohne Rückhalt in den eigenen Reihen dastand, wurde vielen in der Fraktion offenbar erst hinterher klar. In der Sonder-CDU-Fraktionssitzung am Donnerstag ging der 68-Jährige auf Konfrontationskurs: Er habe es noch nie erlebt, dass ein Minister seine Vorhaben so geheim halte wie Seehofer dies nun tue, schimpfte er.

Daniel Günther

Der 44-Jährige hat vor einem Jahr überraschend die Wahl in Schleswig-Holstein gewonnen. Als Ministerpräsident ist der meist pragmatisch und gelassen autretende Daniel Günther einer der zentralen CDU-Gegenspieler der CSU geworden. In der Jahresversammlung der Ministerpräsidenten am vergangenen Donnerstag warf er seinem bayerischen Kollegen Markus Söder vor, das Gremium parteipolitisch zu instrumentalisieren. Der hatte zuvor dort seine Unterstützung für Seehofers Plan zu Protokoll gegeben, ohne dass dies auf der Tagesordnung stand. Gerne weist Günther auch darauf hin, dass die AfD in den Bundesländern gut abgeschnitten hat, in dem CDU oder CSU in der Flüchtlingspolitik auf Anti-Merkel-Kurs waren. Zu den Unterstützern Merkels aus den Ländern zählen auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Hessens Regierungschef Volker Bouffier.

Die CSU-Seite

Markus Söder

Zielstrebig und unter einigem Ellbogeneinsatz hat Markus Söder über Jahre auf diesen Job hingearbeitet. Ende des vergangenen Jahres gewann er dann den Machtkampf gegen Horst Seehofer - indem er dessen immer neue Fristsetzungen durchkreuzte. Der übergab ihm sein Amt als bayerischer Ministerpräsident im März. Nun muss Söder den Posten bei der Landtagswahl am 14. Oktober verteidigen.

Sollte es der CSU da nicht gelingen, die absolute Mehrheit zu halten, könnte der 51-Jährige als Ministerpräsident mit der kürzesten Amtszeit in die bayerische Geschichte eingehen. Schon in der letzten Wahlperiode galt er als der wahre Antreiber des CDU-CSU-Streits um die Flüchtlingspolitik. Es hieß, Seehofer versuche Söders Aufstieg durch besonders hartes Auftreten zu verhindern. Jetzt führt Söder den Machtkampf persönlich - und setzt wieder auf Zeitdruck.

Horst Seehofer

Jahrelang hat Horst Seehofer die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung als zu nachlässig kritisiert. Mit Merkel lieferte er sich in der letzten Wahlperiode eine erbitterte Auseinanersetzung über eine Obergrenze für Flüchtlinge. Nach dem verlorenen Machtkampf gegen Söder, der die CSU über Jahre beschäftigte, ließ Seehofer sich als Bundesinnenminister nach Berlin wegloben.

Den CSU-Vorsitz behielt er, und damit eine besondere Verpflichtung für die Landtagswahl. Als Minister will der 68-Jährige nun beweisen, dass er besser und entschiedener ist als seine Vorgänger. Geht bei der Wahl etwas schief für die CSU, dürfte Söder Seehofer als einen der Schuldigen hinstellen, auch um selbst nach dem Parteivorsitz greifen zu können. Dann hätte ein Minister Seehofer Söder als Chef in der Partei und im Kabinett Merkel als Vorgesetzte - sicher nicht seine Traumkonstellation. Er hat schon früher mit seinem Rückzug kokettiert.

Alexander Dobrindt

In den Koalitionsverhandlungen war er der Scharfmacher. Als Landesgruppenchef der CSU im Bundestag hat Alexander Dobrindt diese Rolle behalten. Er giftet, spitzt zu und ist ein Feindbild-Spezialist. Gelernt hat der 48-Jährige das als CSU-Generalsekretär, wo er mit der Ausländer-Maut Wahlkämpfe bestritt. Im aktuellen Streit war der Oberbayer derjenige, der das Vorhaben der Abweisungen an den Grenzen öffentlich machte. Er schuf damit ein neues Symbolthema für die CSU.

Dobrindt galt noch als VerkehrsMinister als reiner Seehofer-Zögling, ohne Rückhalt in den eigenen Reihen. Nun hofft er offenkundig darauf, Seehofer als Parteichef zu beerben. In der Schwesterpartei setzt Dobrindt auf Merkels Kritiker Jens Spahn - vergangene Woche traf er sich mit dem derzeitigen Gesundheitsminister kamerawirksam im Bundestagsplenum. Auch FDP-Chef Christian Lindner war dabei.