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Deutsche Geschichte Deutsche Geschichte: NSDAP führte vor 75 Jahren erstmals Landesregierungen

Von Katrin Zeiß 09.07.2007, 06:34

Jena/dpa. - Vor 75 Jahren stellten die deutschenNationalsozialisten die Weichen auf Macht. Bei den Landtagswahlen imFrühjahr und Sommer 1932 kamen in vier Ländern, darunter Thüringen,erstmals NSDAP-geführte Landesregierungen ins Amt. Bei denReichstagswahlen am 31. Juli 1932 wurde die Hitlerpartei mit rund 37Prozent der Stimmen erstmals stärkste Fraktion und blieb trotzVerlusten auch bei den zweiten Reichstagswahlen jenes Jahres imNovember 1932. Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler vonReichspräsident Paul von Hindenburg zum deutschen Reichskanzlerernannt.

Im Sommer 1932 wurden binnen kurzer Zeit nationalsozialistischeMinisterpräsidenten in Anhalt, Oldenburg, Mecklenburg-Schwerin undThüringen vereidigt. Bis zu diesem Zeitpunkt war die NSDAP eine fastausschließlich auf «Fundamentalopposition eingestellte, konturloszwischen Nationalem und Sozialem changierende Propagandabewegung mitdem Rassismus als einzigem festen Kern» gewesen, sagt der NS-ForscherNorbert Frei, Historiker an der Universität Jena. In Anhalt standAlfred Freyberg als erster NSDAP-Ministerpräsident einesdeutschen Landes einer aus Nazipartei und DeutschnationalerVolkspartei (DNVP) gebildeten Koalitionsregierung vor. In den beidennorddeutschen Ländern bildete die NSDAP Alleinregierungen. InThüringen koalierte sie unter Fritz Sauckel mit dem Landbund.

Für Frei ist es kein Zufall, dass die Nationalsozialisten geradein diesen Regionen 1932 ihre ersten Wahlsiege verzeichneten. «Vieleher als die Industriestädte mit ihrem gut organisierten Arbeiter-und Gewerkschaftsmilieu oder auch zu den katholisch geprägtenRegionen bot das kleinbürgerlich-ländliche protestantische Milieu denNationalsozialisten Einfallstore.» Der Wahlerfolg in den Ländern habeeinen mobilisierenden psychologischen Effekt auf die NSDAP und füreinfache Lösungen empfängliche Protestwähler gehabt. «Sie bezog ihreDynamik über die Länder.»

Als nationalsozialistischer «Probelauf» gilt für NS-Forscher vorallem Thüringen, wo sich die nach dem gescheiterten Hitler-Putsch von1923 zunächst verbotene NSDAP anders als im übrigen Deutschland schonsehr früh wieder frei betätigen konnte. Bereits 1924 wurde hier dasVerbot der Nazipartei wieder aufgehoben, was ihre Organisationförderte. In Thüringen kam es 1930/31 zur ersten Koalitionsregierungin einem Land mit NSDAP-Beteiligung. Wilhelm Frick (1877-1946) wurdeNSDAP-Innen- und Bildungsminister und besetzte umgehend wichtigePosten in Landesverwaltung und Polizei mit Parteigängern. Der von ihmzum Leiter der Kunsthochschule Weimar ernannte Architekt PaulSchultze-Naumburg (1869-1949) ließ als eine der ersten Amtshandlungen70 Werke moderner Künstler als «entartet» aus dem SchlossmuseumWeimar entfernen - Vorbild für die deutschlandweite Aktion «EntarteteKunst» von 1937.

Nach dem Sieg der NSDAP bei den Landtagswahlen 1932 wurde mitFritz Sauckel (1894-1946) der in den Nürnberger Prozessen alsKriegsverbrecher zum Tode verurteilte und hingerichteteHauptverantwortliche für die Verschleppung von Millionenausländischer Zwangsarbeiter Regierungschef. Sauckel machte sichumgehend daran, Thüringen zum «nationalsozialistischen Mustergau» zuentwickeln, wie der Erfurter Historiker Steffen Raßloff sagt.

Schon am 31. Januar 1933, einen Tag nach der so genannten«Machtergreifung» Hitlers, waren in Thüringen politische Aktivitätender KPD verboten, am 3. März 1933 wurde in Nohra bei Weimar das ersteNS-Konzentrationslager errichtet, die Enteignung des Waffen- undFahrzeugwerkes Suhl der jüdischen Familie Simson 1935 gilt alsVorreiter für die so genannte «Arisierung» jüdischen Eigentums. Mitdem 1939 berufenen Jenaer Universitätsrektor Karl Astel leiteteerstmals ein «Rasseforscher» eine deutsche Universität.