Deutsche Geisel in Afghanistan freigelassen
Kabul/Berlin/dpa. - Fast drei Monate nach seiner Entführung in Afghanistan ist der deutsche Ingenieur Rudolf Blechschmidt seit Mittwoch wieder in Freiheit. Nach 85 Tagen Geiselhaft - es war die bisher längste Entführung eines Ausländers in Afghanistan - traf der 62-Jährige am Abend in der deutschen Botschaft in Kabul ein.
Er war zuvor in der Provinz Wardak an afghanische Sicherheitskräfte übergeben worden, wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin sagte. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen in der afghanischen Hauptstadt ist der Bauingenieur müde, aber wohlauf. Am Freitag entscheidet der Bundestag über eine Verlängerung des Bundeswehrmandates für Afghanistan.
Steinmeier erklärte: «Seit heute ist der in Afghanistan entführte Deutsche Rudolf Blechschmidt wieder in Freiheit. Darüber sind wir froh und erleichtert.» Auch die fünf entführten afghanischen Begleiter des Deutschen seien frei. Steinmeier dankte der Regierung in Kabul «für ihren unermüdlichen und letztlich erfolgreichen Einsatz». Der mit Blechschmidt verschleppte Rüdiger D. war wenige Tage nach der Entführung am 18. Juli von den Geiselnehmern erschossen worden.
Blechschmidt traf am Abend in der deutschen Botschaft in Kabul ein, wo er zunächst medizinisch untersucht wurde, wie die Deutsche Presse-Agentur dpa aus Sicherheitskreisen erfuhr. Den Angaben zufolge geht es ihm nach fast dreimonatiger Gefangenschaft gesundheitlich «überraschend» gut. Blechschmidt sei «in erstaunlich guter geistiger und körperlicher Verfassung». Er habe mit seiner Familie telefoniert und werde die Nacht in der Botschaft verbringen, hieß es weiter. Jeden Kontakt zur Öffentlichkeit lehnte Blechschmidt ab. Offen blieb zunächst, wann er nach Deutschland zurückkehrt.
Der deutsche Ingenieur wurde nach afghanischen Angaben aus der Geiselhaft entlassen, nachdem die Behörden in Kabul vier zuvor festgesetzte Afghanen freigelassen hatten. Bei den vier Männern handele es sich um den Vater und drei Helfer des flüchtigen Mullah Nesamuddin, der für die Entführung des Deutschen in der Provinz Wardak verantwortlich sei, sagte der Verwaltungschef des Distrikts Jaghatu, Haji Naeem Khan. Die vier Männer waren den Angaben zufolge am 27. September festgenommen worden, um den Druck auf die Entführer zu erhöhen.
An diesem Tag war eine offenbar vereinbarte Freilassung des deutschen Ingenieurs und der mit ihm entführten Afghanen in letzter Sekunde gescheitert. Die Geiseln sollen sich damals bereits in der Obhut von vier Mitarbeitern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) befunden haben, als die Gruppe erneut entführt wurde. Die Rot-Kreuz-Mitarbeiter kamen jedoch zwei Tage später wieder frei. Ein Taliban-Sprecher hatte ihre Geiselnahme als «Missverständnis» bezeichnet.
Bei den Entführern soll es sich nach dpa-Informationen um eine örtliche Taliban-Gruppe mit kriminellem Hintergrund handeln, die nur lose Verbindungen zu den straff organisierten radikalislamischen Extremisten unterhält und nicht unter der Befehlsgewalt des Taliban- Führungsrates steht. Dennoch hatten die Entführer wiederholt den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan gefordert.
Erst am Dienstag hatte der afghanische Fernsehsender Tolo TV Ausschnitte eines Videos verbreitet, das Blechschmidt in Gefangenschaft zeigte. Die Geiselnehmer hatten mehrfach Videoaufnahmen in Umlauf gebracht, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Die Bundesregierung hatte jedoch stets betont, dass Deutschland nicht erpressbar sei.
Freude herrschte am Mittwoch in Blechschmidts früherem Heimatort Bad Brückenau (Landkreis Bad Kissingen). «Wir freuen uns riesig», sagte die 2. Bürgermeisterin Brigitte Meyerdierks (CSU). Blechschmidt war als kleiner Junge aus dem Osten Deutschlands in die unterfränkische Stadt gekommen und bei seinen Großeltern aufgewachsen. Bayerns neuer Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) sagte: «Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Ich freue mich, dass diese Tragödie eine gute Wendung genommen hat.»