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Bürgerrechtlerin Bürgerrechtlerin: Eine Liebesgeschichte der besonderen Art

Von MARKUS DECKER 10.02.2012, 18:25

Berlin/MZ. - Als Vera Lengsfeld vor zwei Wochen mit ihrem ältesten Sohn Philipp aus erster Ehe auf dem Podium der Evangelischen Akademie Berlin saß, wollte sie über ihren Ex-Mann nicht reden. Am 26. Januar war das. Es lag der Verdacht nahe, die Vergangenheit mit Knud Wollenberger rege sie innerlich noch zu sehr auf. Er hatte sie jahrelang bespitzelt. Was Lengsfeld vermutlich wusste, die Zuhörer aber nicht: Knud Wollenberger war am Tag zuvor an einer seltenen Nervenkrankheit gestorben, die den gesamten Körper lähmte. Da hatte sie ihm die Spitzelei schon verziehen. Mit Wollenbergers Tod ging eine der dramatischsten Liebesbeziehungen in der jüngeren Geschichte zu Ende.

Informationen an die Stasi

Vera Lengsfeld war zunächst mit dem Journalisten Sebastian Kleinschmidt verheiratet. Dann lernte sie Wollenberger kennen. Lengsfeld absolvierte ein Studium der Geschichte der Arbeiterbewegung an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Sie kam wie Wollenberger aus einem systemtreuen Elternhaus. In den achtziger Jahren jedoch spielte die Bürgerrechtsbewegung eine immer größere Rolle. Ihr Mann war - rein äußerlich - ein Dissident wie aus dem Bilderbuch. Er trug lange Haare und einen fast ebenso langen Bart. Das aber wirkt im Nachhinein wie Fassade. Denn Wollenberger berichtete unter dem Decknamen "IM Donald" jahrelang an das Ministerium für Staatssicherheit - über seine Frau.

Als die 1992 davon erfuhr, reichte sie die Scheidung ein. Der Fall war der vielleicht abgründigste der Nachwendezeit. Lengsfeld ging in die Politik. Anfangs war sie bei den Grünen, dann bei der CDU. Viele ihrer Statements wirkten extrem und unversöhnlich. Manchmal konnte man den Eindruck gewinnen, Lengsfeld sei traumatisiert. Gegenüber ihrem Ex-Mann hat sie allerdings eine außergewöhnliche Versöhnungsbereitschaft bewiesen. Das jedenfalls legt der jüngste Bericht der "Superillu" nahe.

Nach der spektakulären Enthüllung hatten beide vorerst nur wegen der gemeinsamen Kinder Kontakt - wie Millionen andere getrennte Paare auch. Fast zehn Jahre darauf schrieb Wollenberger an Lengsfeld einen Brief, in dem er um Verzeihung bat - mit der Begründung, er habe vor allem mit der Stasi kooperiert, um sie zu schützen. Näher an der Wahrheit liegt wohl die Vermutung des gemeinsamen Sohnes Jonas, wonach die DDR-loyale Haltung der Eltern Wollenbergers den Ausschlag gab.

Tod mit 59 Jahren

Wie auch immer: Bei Lengsfeld hat der Brief seine Wirkung nicht verfehlt. Sie vergab ihm. Wollenberger arbeitete zeitweilig beim Film und als Musiker - bis ihn die Nervenkrankheit außer Gefecht setzte. Er starb am 25. Januar in Irland. Jonas war vor Weihnachten das letzte Mal bei ihm. Ein Austausch war da schon nicht mehr möglich. Wollenberger, erneut verheiratet, wurde 59 Jahre alt.

Das allmähliche Verzeihen sei ein "zäher und schmerzhafter Prozess" gewesen, erläutert Lengsfeld der Illustrierten. Der Sohn freut sich über die Gespräche, die es mit dem Vater dann doch noch gegeben hat. Er erinnert sich heute an einen "sehr interessanten Menschen".