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Bundeswehr Bundeswehr: Rund 500 Soldaten kehren traumatisiert zurück

Von Friedrich Kuhn 03.02.2009, 09:26
Bundeswehrsoldaten der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) rauchen am 12.09.2008 nach dem Einsatz an einer Straßensperre der Bundeswehr in Kundus in Afghanistan im Feldlager. (FOTO: DDP)
Bundeswehrsoldaten der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) rauchen am 12.09.2008 nach dem Einsatz an einer Straßensperre der Bundeswehr in Kundus in Afghanistan im Feldlager. (FOTO: DDP) ddp

Berlin/ddp. - Sie leiden unter«Posttraumatischen Belastungsstörungen» (PTBS). «Ihre Seele blutet,obwohl sie körperlich unversehrt geblieben sind», sagen dieMilitärpsychologen. Rund 6400 Soldaten sind gegenwärtig inAuslandseinsätzen der Bundeswehr.

In den vergangenen drei Jahren ist die Zahl der traumatisiertenSoldaten nach Angaben des Verteidigungsministeriums starkangestiegen. Der Bundestag will am Donnerstag nächster Woche eineninterfraktionellen Antrag verabschieden, mit dem erheblich bessereBetreuungs- und Behandlungsmöglichkeiten für die Soldaten gefordertwerden.

Nach Darstellung des Parlamentarischen Staatssekretärs imVerteidigungsministerium, Thomas Kossendey (CDU), sind von 2006 bis2008 nach Einsätzen auf dem Balkan und in Afghanistan 477 Soldatinnenund Soldaten mit einer PTBS untersucht beziehungsweise behandeltworden. Die Zahl der Fälle stieg von 83 (2006) über 149 (2007) auf245 im letzten Jahr. Allein für den Afghanistan-Einsatz stiegen dieZahlen von 55 über 130 auf 226, also insgesamt 411 Fälle.

Der verteidigungspolitische Sprecher derCDU/CSU-Bundestagsfraktion, Bernd Siebert (CDU), wies im ddp-Gesprächdarauf hin, dass eine Verwundung der Psyche mindestens ebenso schwerwie eine körperliche Verwundung wiege. Der Bundestag werdebeschließen, dass die Behandlungs- und Betreuungsmöglichkeiten fürdie Soldaten, die unter PTBS leiden, «maßgeblich verbessert werden».Damit solle den neuen sicherheitspolitischen HerausforderungenRechnung getragen werden. Für die Angehörigen der Bundeswehr werdejetzt ein «stabiles Netz» für die PTBS-Betreuung geschaffen.

Oberfeldarzt Tobias Gamberger vom Sanitätsdienst der Bundeswehrunterstrich gegenüber ddp, «dass die seelischen Belastungen unsererSoldatinnen und Soldaten genauso ernst genommen werden wie diekörperlichen Verletzungen und Verwundungen». Seit Beginn derAuslandseinsätze der Bundeswehr würden gerade auch die präventiven,vorbeugenden Betreuungsmaßnahmen ständig verbessert und ausgebaut.

In dem Antrag, der dem Bundestag vorliegt, wird unter anderemgefordert, «die vorhandenen und gegebenenfalls neuen Einrichtungender Bundeswehr zu einem Kompetenz- und Forschungszentrum zurBehandlung von PTBS in der Bundeswehr zusammenzufassen.» Außerdemsollen innerhalb der Bundeswehr psychosoziale Beratungsangeboteeingerichtet werden, die von PTBS-Betroffenen und ihren Angehörigenauch anonym und telefonisch in Anspruch genommen werden können.

PTBS kann nach Auskunft der Psychologen bei einem Soldaten erstMonate oder sogar Jahre nach der Rückkehr in die Heimat ausbrechen.Ein großes Problem gebe es häufig für die Soldaten, dass sie meinen,sie könnten allein mit der Belastungsstörung fertig werden,berichteten die Militärpsychologen. Sie würden sich weder ihrenVorgesetzten, den Kameraden oder den Familienangehörigen offenbaren,um nicht in den Ruf eines «Weicheis» zu kommen.

Wenn PTBS-Erkrankte befragt werden, was sie erlebt haben, tretennach Aussage der Mediziner meistens zuerst vegetative Zeichen auf:Ein Gesichtsmuskel flackert, die Stimme wird zittrig oder der Patientredet überhaupt nicht mehr und zieht sich ins «PTBS-Schneckenhaus»zurück. Der Erkrankte steckt wieder mitten in der traumatischenSituation.

Bundeswehroffiziere bedauerten, dass die schweren psychischenErkrankungen von aus den Auslandseinsätzen zurückgekehrten Soldatenin der deutschen Öffentlichkeit bisher «weitgehend ein Tabu-Themawaren». Sie äußerten die Hoffnung, dass ein Fernsehfilm in der ARD«Willkommen zu Hause», der am Montagabend den schwerwiegendenPsychostress eines Soldaten nach der Rückkehr in die Heimatdarstellte, bei den Bürgern eine «entsprechende Resonanz hervorrufenwird».