Bundeswehr Bundeswehr: Damit die Strafe auf dem Fuße folgt
Berlin/MZ. - Anette Bargenda hatte 2008 erhebliche Probleme. Die Staatsanwältin aus Frankfurt (Oder) sollte gegen einen Bundeswehr-Soldaten aus dem brandenburgischen Storkow ermitteln, der an einem Checkpoint nahe Kundus eine afghanische Frau und zwei Kinder erschossen hatte - in der Furcht, aus deren Fahrzeug werde demnächst gefeuert oder, schlimmer noch, es handele sich um eine fahrende Bombe. Bargenda hatte mit einem solchen Fall noch nie zu tun. Sie wälzte politische Dokumente und ließ die Szene in einer heimischen Kaserne nachstellen. Eine Obduktion der Leichen war nicht möglich. Sie werden nach islamischer Sitte binnen 24 Stunden bestattet. Das Verfahren dauerte acht Monate - und soll sich nach dem Willen der Bundesregierung so nicht mehr wiederholen. Aus einem Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums geht hervor, dass künftig bundesweit nur noch eine Staatsanwaltschaft derlei Militärstrafsachen im Auslandseinsatz bearbeiten soll: die in Kempten (Allgäu). Bisher war die Staatsanwaltschaft Potsdam zuständig, weil dort das Einsatzführungskommando der Bundeswehr sitzt. Die Potsdamer gaben die Ermittlungen meist an die Staatsanwaltschaften jener Region ab, aus der die Soldaten kamen.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte der MZ: "Ich habe Kempten vorgeschlagen, weil dort schon heute die bayerische Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Auslandseinsätze sitzt. Die spezialisierten Ermittler kennen sich in den militärischen Abläufen aus und bringen die notwendige Erfahrung für Ermittlungen im Ausland mit." Auch SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold findet: "Die langen Verfahrenszeiten und die überhaupt nicht vorhandene Kompetenz für die Sondersituation im Einsatz sind schon ein Grund für eine besondere Expertise." Der Gesetzentwurf ist an Länder und Verbände verschickt worden, da Länderkompetenzen berührt sind. Sollte es keine Einwände geben, könnte er im April vom Kabinett gebilligt werden und dann seinen parlamentarischen Lauf nehmen.
Unabhängige Justiz in Gefahr?
Der Bedarf steigt. So gab es im vorigen Jahr 26 einschlägige Ermittlungsverfahren - und damit so viele wie in den Jahren 2002 bis 2006 zusammen. In 15 Fällen hatten die Vorwürfe derart großes Gewicht, dass ein Strafverfahren folgte. Für Furore sorgte 2009 der von Oberst Georg Klein angeordnete Luftangriff von Kundus mit über 100 Toten. Er beschäftigte die Justiz in Potsdam, Leipzig und Dresden, bevor der Generalbundesanwalt in Karlsruhe das Verfahren einstellte - was wiederum nichts daran ändert, dass noch immer Schadenersatzklagen anhängig sind. Trotz dieses Hin und Her sind nicht alle Fachleute der Meinung, dass eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft nötig ist. Gegner wie der sicherheitspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, fürchten um die Unabhängigkeit der Justiz.
Zumal aus ostdeutscher Perspektive fällt übrigens auf, dass die Staatsanwaltschaft Kempten die Zuständigkeit bekommen soll. Denn ursprünglich war mal Leipzig vorgesehen. Die Gründe für den Ortswechsel sind nachvollziehbar, wenn auch nicht unbedingt überzeugend. Abgesehen davon, dass Kempten die erforderliche Fachkenntnis hat, ist der Gerichtsstandort angeblich nicht genügend ausgelastet. Vor allem jedoch liegt Kempten in Bayern. Und in Bayern ist die Bundesjustizministerin zu Hause.