Bundestag Bundestag: Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition

Berlin/dpa. - Begleitet von neuen Umfragewerten zugunsten derSPD waren elf Tage vor der Neuwahl des Parlaments am Mittwoch vorallem die hohe Arbeitslosigkeit und die Energiepolitik zentraleThemen der Debatte.
Schröder warf der Union das Fälschen der Arbeitsmarkt-Statistikvor. Insgesamt nutzte der Kanzler seine Bilanz über sieben Jahre Rot-Grün vor allem für scharfe Attacken auf die Opposition. Unions-Kanzlerkandidatin Merkel (CDU) erinnerte Schröder an sein einstigesVersprechen, die Arbeitslosenzahlen zu senken und sich daran messenlassen zu wollen. Beide trugen im wesentlichen in der von vielenZwischenrufen geprägten Aussprache die Argumente vor, die sich auchin dem TV-Duell am vergangenen Sonntag vorgebracht hatten.
Nach einer Forsa-Umfrage hat das TV-Duell zwischen Schröder undMerkel vom Sonntag die SPD (34 statt 31 Prozent) gestärkt. Union (42statt 43) und FDP (sechs statt sieben) hatten zusammen erstmals seitvielen Wochen keine Mehrheit mehr. Die Bündnisgrünen blieben beisieben Prozent, die Linkspartei kam auf acht (statt neun) Prozent.
Schröder kritisierte, die Opposition plakatiere die Zahl von fünfMillionen Arbeitslosen. «Lassen Sie uns doch mal reden überStatistiken, die Sie gerne fälschen», sagte der Kanzler. Die Unionhabe die Arbeitsmarktreformen mitbeschlossen, die die statistischeArbeitslosenzahlen zwar erhöht, aber 400 000 Sozialhilfeempfänger indie Arbeitsvermittlung gebracht hätten. «Wir sind da auf demrichtigen Weg», sagte er. Die von der Union geplanteMehrwertsteuererhöhung werde zu noch höheren Spritpreisen führen. Erwarnte Merkel auch vor einer «Rolle rückwärts» in der Atompolitik.Eigene Zukunftsprojekte streifte der Kanzler nur am Rande.
Die CDU-Vorsitzende Merkel sagte zu Schröder: «Sie haben siebenJahre entweder leere Versprechen gemacht, eine falsche Politikverfolgt oder Sie konnten sich nicht durchsetzen.» Es gebe mehrArbeitslose und weniger Wachstum als vor sieben Jahren, die Rentewerde «auf Pump» finanziert und die Pflegeversicherung sei in einembemitleidenswerten Zustand. Statt weniger Bürokratie gebe es 700 neueGesetze und mehr als 1000 neue Verordnungen.
Bei der Ökosteuer bezichtigte Merkel Schröder der Lüge. Er sprechevon einem Ökosteuer-Anteil in Höhe von 1,5 Cent pro Liter Sprit, derin den Haushalt fließe. Der Anteil sei höher. Schröder sei an seinerPartei, an sich selbst und an der Wahrnehmung der Realitätgescheitert. Zu Schröders Kritik an den Unionsplänen für eineLockerung des Kündigungsschutzes sagte sie: «Es ist nicht redlich,den Untergang des Abendlandes auszurufen.» Der Kanzler habe es nichtgeschafft, einen Haushalt für 2006 und so ein Zukunftsprogrammvorzulegen. «Deswegen sind Sie Vergangenheit.» Der CSU-VorsitzendeEdmund Stoiber sprach von einer Wechselstimmung in der Bevölkerung.
SPD-Fraktionschef Franz Müntefering warf Merkel «Hochmut» vor. Sieverhalte sich, als sei die Wahlentscheidung schon gefallen. FDP-ChefGuido Westerwelle sagte, er habe von Schröder eine Abschiedsrede undvon Merkel eine Regierungserklärung gehört. Er verlangte einen«Neuanfang der deutschen Politik». Deutschland brauche eininternational wettbewerbsfähiges Steuersystem, um in der EU nichtweiter Schlusslicht beim Wachstum zu sein.
Vor der Rede des Kanzlers hatte der Bundestag der Opfer derHurrikan-Katastrophe in den USA gedacht. Der Bundestag seierschüttert über die schrecklichen Folgen der größtenNaturkatastrophe in der Geschichte der USA, sagte BundestagspräsidentWolfgang Thierse. Schröder warnte die Mineralölkonzerne vor einer«völlig unverantwortlichen Preistreiberei» als Folge der Flut.
Merkel kündigte an, sich als Kanzlerin bei den USA für eine«Kehrtwende» in der internationalen Umweltpolitik und eineUnterzeichnung des Kyoto-Protokolls zur Verringerung des Ausstoßesvon Treibhausgasen einzusetzen. Außenminister Joschka Fischer (Grüne)sagte mit Blick auf die von der Union angestrebte privilegiertePartnerschaft zwischen Türkei und Europäischer Union an MerkelsAdresse: «An dem Punkt versündigen Sie sich an denSicherheitsinteressen Europas und Deutschlands."
