Bundespräsidentenwahl Bundespräsidentenwahl: «Jetzt ist die Wahl eine Farce»
berlin/MZ. - Im Gegensatz zur Mehrheit der Grünen plädieren Sie für die Direktwahl des Bundespräsidenten. Warum?
Winkler: Bei den drei Wahlen, an denen ich teilgenommen habe, haben kleinste Zirkel von zwei bis drei Personen die wirkliche Entscheidung getroffen. Um sie abzusegnen müssen dann über 1 000 Menschen in der Bundesversammlung zusammen kommen. Das hat mich in meiner Meinung bestätigt: Es gibt ein besseres Verfahren - die Direktwahl. In ihr kommt der Wille der Bevölkerung zum Ausdruck.
Bei einer Direktwahl kann es eine knappe Mehrheit geben.
Winkler: Stimmt. Aber dann gibt es einen offenen Wettbewerb. Jetzt ist die Wahl eine Farce. Die Mehrheit sucht sich einen passenden Kandidaten und das war’s. In einer Direktwahl wie in Österreich können nicht einfach irgendwelche Ministerpräsidenten abgeschoben werden. Da müssen Politiker antreten, die den Menschen etwas zu sagen haben. Konkret: Da hätte Joachim Gauck sicher die Nase vorn gehabt.
Führt eine Direktwahl zu besseren Präsidenten?
Winkler: Ich will nicht über die bisherigen richten. Aber sie würde die Zahl der Kandidaten vergrößern und böte die Chance auf eine bessere Auswahl. Nach über 60 Jahren muss es doch erlaubt sein, einen Vorschlag zur Verbesserung der Verfassung zu machen.
Die Anhänger des heutigen Verfahrens sähen die Statik unseres Staats gefährdet, weil ein direkt gewählter Bundespräsident aus seiner Volkswahl den Anspruch auf mehr Macht her leiten könnte.
Winkler: In Österreich ist der Einfluss des direkt gewählten Präsidenten auch nicht viel größer. Bei der Regierungsbildung kann er einzelne Minister ablehnen. Aber ansonsten hat er eine vornehmlich repräsentative Funktion wie bei uns. Weil er wie das Parlament von den Bürgern gewählt wurde, ist die Regierung ein wenig geschwächt, die indirekt vom Bundestag gewählt wurde. Das Parlament behält seine Stellung und die Balance der Verfassungsorgane bleibt im Großen und Ganzen erhalten.
Die schwächere Stellung der Regierung nehmen Sie in Kauf?
Winkler: Das wäre eine Frage des politischen Gewichts, das ein konkreter Präsident auf die Waage bringt. Das hat weniger mit seiner verfassungsrechtlichen Stellung zu tun.
Eine ähnliche Meinung wie sie vertritt der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler. Planen Sie eine gemeinsame Initiative im Bundestag?
Winkler: Dafür wäre es besser, wenn kein aktueller Anlass bestünde. Wenn Wulff im Amt bleibt und die Lage sich beruhigt, wäre zur Mitte seiner Wahlperiode der richtige Zeitpunkt etwa ein Symposion hierzu abzuhalten.
Wäre ein direkt gewählter Bundespräsident kraft seiner direkten Legitimation nicht noch schwerer aus dem Amt zu bekommen als Wulff?
Winkler: Ich glaube, das Gegenteil wäre der Fall. Ein vom Volk gewählter Präsident würde eine noch viel stärkere Verpflichtung fühlen, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Angesichts solcher Vorwürfe, wie sie gerade erhoben werden, wäre er womöglich nicht mehr im Amt. Denn der Zorn der Bevölkerung würde noch viel heftiger aufwallen.