Bundespräsident Bundespräsident: Johannes Rau hat am Mittwoch seinen letzten Arbeitstag

Berlin/MZ. - An seiner Seite Frau Christina (47), die derRolle der Präsidenten-Gattin eine ganz eigene,jugendliche Note gegeben hat. Womit will Rausich als Alt-Präsident beschäftigen?
Es gebe schon viele Anfragen, zu vieleAnfragen, sagt Rau. Er lässt aber durchblicken,welche Themen ihm besonders am Herzen liegen:die Kontakte zu Israel, Brückenschlagen zwischenMenschen verschiedener Kulturen und verschiedenenGlaubens.
1. September 1999, Frankfurt (Oder). Rau stecktein wenig gelangweilt die Hände in die Taschen.Seit zehn Minuten wartet er. Er soll den polnischenPräsidenten auf der Brücke zwischen Frankfurtund dem polnischen Gegenüber Slubice treffen.Doch die polnische Delegation verspätet sich.Ein wenig unschlüssig geht Rau hin und her.Schließlich erspäht er eine Gruppe jungerLeute, offensichtlich Schüler. Gebieterischzeigt der Bundespräsident auf seine Uhr undruft den Kindern zu: "Ihr solltet eigentlichin der Schule sein, das weiß ich genau vonmeinen Kindern." Es ergibt sich ein Gesprächüber Schule und Leben in der Stadt, über Politikund die polnischen Nachbarn. Rau kramt einpaar Anekdoten hervor, unterhält seine Zuhörermit Knobeleien und kleinen Witzen. Die Schülertauen auf, diskutieren mit Rau. In Frankfurthat er nun eine Fangemeinde.
Berlin, 18. Mai 2001. Johannes Rau sprichtüber Gentechnik. Die Diskussion um Zulassungoder Verbot, Grenzen und Möglichkeiten derGentechnik hatte sich damals in interessengeleiteteTeilöffentlichkeiten zersplittert. Die Kirchenleute,die Wirtschaftsführer, die Politiker, dieJuristen, die Mediziner. Rau führt die Positionenzusammen, nimmt das ganze Thema in den Blickund bezieht Stellung: Menschenwürde rangiertvor wirtschaftlichen Interessen, Mut zum Tabu,Fortschritt muss sich an menschlichem Maßorientieren. Rau, dem das Etikett des Versöhnersanhaftet, hatte sich weit aus dem Fenstergelehnt und sich - zumindest verbal - auchmit dem Bundeskanzler angelegt, der das Themaseinerzeit eher burschikos und pragmatischangegangen war. Rau, diesmal nicht nur derRufer in der Wüste. Seine Rede zieht Kreise,erregt Widerspruch und Zustimmung.
Diese beiden Ereignisse kennzeichnen das Programmvon Raus Präsidentschaft: Mit Menschen ganzunmittelbar reden, immer wieder und unermüdlichund Reden halten, um zu kontroversen gesellschaftlichenEntwicklungen Anstöße zu geben. Dies hat ervor allen Dingen mit seinen "Berliner Reden"gemacht. Zuwanderung (2000), Gentechnik (2001)Globalisierung (2002), Außenpolitik (2003)Anspruchsdenken (2004) waren die Themen. Erhat dabei auch die Zuspitzung gesucht.
Vom Ruhestand will der 73-Jährige, an demdie Jahre des Amtes und die Jahre der gesundheitlichenProbleme nicht spurlos vorübergegangen sind,nichts wissen. Nach 50 Jahren in öffentlichenÄmtern ist er zum Privatleben wohl nicht mehrgeeignet. Vielleicht gibt es jetzt hin undwieder mehr Zeit für ein paar Skatrunden,notfalls auch, wenn keine Skatbrüder zur Verfügungstehen, mit dem PC. Aber die Welt der Politikund der Repräsentation, der Reden und Dialoge,die braucht Rau so nötig wie die Luft zumAtmen.
