Brandenburg vor der Wahl Brandenburg vor der Wahl: Die Frau in Rot

Potsdam/dpa. - An diesem sonnigen Morgen lächelt die PDS-Spitzenkandidatin noch eine Spur strahlender als auf den Plakaten.Dagmar Enkelmann genießt den Wahlkampfauftritt in Bernau alsHeimspiel. In dem Städtchen nördlich von Berlin lebt sie seit Endeder 70er Jahre, hier ist der Wahlkreis der brandenburgischenLandtagsabgeordneten. Zum «Roten Frühstück» auf dem Marktplatz hatsich ein gutes Dutzend vorwiegend älterer Genossen versammelt. In derRunde wirkt Enkelmann schon fast zu flott in hellen Jeans undmodischem roten Blazer, die Sonnenbrille keck auf den blondiertenHaarschopf geschoben.
Doch «Daggi», wie sie hier genannt wird, spricht die Sprache derEinheimischen. Zum Stichwort DDR fällt ihr vor allem «Heimat,Herkunft und Identität» ein. In ihrem Buch «Mein Brandenburg»schreibt die frühere Lehrerin der FDJ-Hochschule: «Einer Frau, diedrei Kinder in zwei Staatssystemen großgekriegt hat, braucht niemandzu erzählen, wie der Hase läuft!».
«Es ist doch Wahnsinn», bricht es aus einer Rentnerin heraus. Siebeklagt, ihre Tochter sei von der Arbeitsmarktreform Hartz IVbetroffen. Dagmar Enkelmann nickt ernst. «In diesem Wahlkampf ist esnicht so gefragt, auf Bühnen zu stehen und Volksreden zu halten»,meint die 48-Jährige. «Die Leute wollen, dass man sich ihre Problemeund Sorgen anhört, dass man sie ernst nimmt.»
Sie habe längst bewiesen, dass sie mehr sei als nur - wie sogar inder eigenen Partei mancher spöttelt - «das schöne Gesicht der PDS»,betont die frühere «Miss Bundestag», die immer und überall in roterGarderobe auftritt. 50 brandenburgische Orte stehen auf dem Programmihrer Tour vor der Landtagswahl am 19. September. Doch noch immer istsie den meisten im Lande unbekannt. Gegen die Popularität des SPD-Ministerpräsidenten Matthias Platzeck kommt Enkelmann nicht an. Nacheiner Umfrage würden ihm bei einer Direktwahl des Regierungschefs 55Prozent der Brandenburger die Stimme geben. Enkelmann käme gerade malauf 15 Prozent.
«Oh Schreck», rutscht ihr heraus, als sie das Ergebnis derjüngsten Umfrage erfährt: 35 Prozent für die PDS, die damit zehn Tagevor der Wahl 7 Prozentpunkte vor der SPD liegt. Natürlich gefällt ihrder Gedanke, als Ministerpräsidentin in die Staatskanzleieinzuziehen. Aber dazu bräuchte die PDS einen Koalitionspartner. SPD-Landeschef Platzeck hat klargestellt, dass er als stellvertretenderMinisterpräsident nicht zur Verfügung steht. Überhaupt sind dieZeichen nicht günstig für Rot-Rot. Platzeck wirft der PDS vor, dieHartz-IV-Angst der Bürger erst richtig angeheizt zu haben.
Tatsächlich profitieren die Linkssozialisten in Brandenburg beiihrem Höhenflug maßgeblich von den Protesten gegen dieArbeitsmarktreform. «Sicher, wir lehnen Hartz IV ab. Dennoch behagtuns auch nicht, dass Hartz IV im Wahlkampf die landespolitischenThemen völlig überlagert», beteuert die Spitzenkandidatin, und beiihr klingt es nicht einmal scheinheilig. Sie habe schon im Juni vorProtesten gewarnt und gemahnt, Hartz IV zu verschieben. Die rot-grüneBundesregierung sei wegen ihrer «unseriösen Informationspolitik» ander schlechten Stimmung selbst schuld.
«Wir werden nur in eine Regierung eintreten, wenn wir einenPolitikwechsel im Land durchsetzen können», betont Enkelmann. «Aberich gestehe, dass ich gern mal mitgestalten würde.» Seit 1990 harrtsie - erst im Bundestag, dann im Landtag in Potsdam - auf denOppositionsbänken aus.