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Bevölkerung Bevölkerung: Berufliche Weiterbildung immer nötiger

26.06.2006, 08:26

Berlin/Köln/dpa. - Bald steht die Alterspyramide Kopf: Im Jahr2030 werden über 60-Jährige die Bevölkerungsmehrheit stellen, jungeMenschen werden rar. Gesellschaft und Sozialsysteme sind dann aufältere Arbeitnehmer angewiesen, die ihr Wissen auf dem neuesten Standhalten. Doch im internationalen Vergleich bilden sich die deutschenArbeitnehmer zu wenig fort. Die Teilnahmequoten in der beruflichenWeiterbildung sind in den vergangenen drei Jahren rückläufig, stelltder Weiterbildungsbericht 2006 des Bundesbildungsministeriums fest.Schuld seien die öffentliche Sparpolitik und der gestiegeneKostendruck in den Betrieben - ein alarmierendes Signal. Nun sindneue Konzepte zur Finanzierung des Rüstzeugs Wissens gefragt.

«Es gab selten so viel Einigkeit darüber, dass etwas geschehenmuss, nur bei der Umsetzung hapert es», sagt Mechthild Bayer, die beider ver.di-Bundesverwaltung in Berlin für berufliche Weiterbildungverantwortlich ist. So ist dem viel zitierten «lebenslangen Lernen»im Koalitionsvertrag ein eigenes Unterkapitel gewidmet: Weiterbildungsolle zur «4. Säule des Bildungssystem» mit «bundeseinheitlichenRahmenbedingungen» werden ­ allerdings erst «mittelfristig».

Die Koalition will über eine Novelle des Vermögensbildungsgesetzesein haushaltsneutrales Bildungssparen einrichten. Die Tarifparteien«ermuntert» sie, Zeitkonten zu vereinbaren, auf denen ArbeitnehmerÜberstunden und Urlaub für Fortbildungen sammeln. Doch auf mehr alsQualifizierungsgespräche in einigen Ländern und Branchen konnten sichdiese bisher nicht einigen. Deshalb fordern ver.di und IG Metalleinen in Bundesgesetz gegossenen Bildungsfonds. «Vorbild istFrankreich, wo seit 1971 Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern, dienicht in berufliche Weiterbildung investieren, 1,5 Prozent derBruttolohnsumme einzahlen müssen», erklärt Bayer.

Ein Nachteil dieses Modells ist nach Ansicht von Experten dieGefahr, dass die Beiträge in Form niedrigerer Reallöhne an dieArbeitnehmer weitergereicht werden. Diese müssten auch die Hauptlastder im Koalitionsvertrag angedachten Maßnahmen tragen. «Inzwischengibt eine größere Bereitschaft, einen eigenen finanziellen Beitrag zuleisten», sagt Prof. Klaus Schömann, der an der InternationalUniversity Bremen einen Lehrstuhl für lebenslanges Lernen hat. DieseBeobachtung deckt sich mit Kostenschätzungen des Bundesinstituts fürBerufsbildung, nach denen Einzelpersonen mehr als ein Drittel allerAusgaben für berufliche Weiterbildung tragen - Tendenz steigend.

«Sinnvoll wäre es, wenn man den Begriff des Bildungssparens weiterfasst, wie es zum Beispiel Großbritannien getan hat», sagt DieterDohmen, Leiter des Forschungsinstituts für Bildungs- undSozialökonomie (FiBS) in Köln. Dort bekam bis Ende 2001 jeder Bürger,der mit umgerechnet mindestens 37 Euro ein Bildungskonto bei einerBank eröffnete, 220 Euro vom Staat dazu. Das System war soerfolgreich, dass es zusammenbrach und zur Zeit überarbeitet wird.

Schweden will Konten nach britischem Vorbild mit zusätzlichersteuermindernder Komponente für einzahlende Arbeitnehmer und -gebereinführen. In den Niederlanden gewährt der Staat Unternehmen, dieMitarbeiter zur Fortbildung schicken, Steuererleichterungen. Zudemgibt es Weiterbildungsfonds der Tarifparteien und Projekte, bei denenArbeitnehmer, Arbeitgeber und Staat Geld oder Freizeit fürWeiterbildung auf ein individuelles Lernkonto einzahlen.

«Allen drei Seiten bringt Weiterbildung Vorteile, also müssen alleetwas dazu beitragen», sagt Prof. Schömann. Auch bei der Finanzierungreicht laut Bildungsforscher Dohmen eine einzelne Maßnahme nicht aus:«Letztlich erscheint nur eine Kombination verschiedener Instrumentesinnvoll» - also ein Fonds und weit gefasste Bildungskonten zusammenmit der bereits bestehenden steuerlichen Absetzbarkeit vonFortbildungsausgaben und auch Bildungsgutscheine vom Staat. Denn mitGutscheinen lassen sich laut FiBS einkommensschwache, geringergebildete oder ältere Arbeitnehmer besonders gezielt unterstützen.