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Berlin-Hellersdorf Berlin-Hellersdorf: «Größte Wandmalerei der Welt»

Von Mirja Fiedler 03.11.2006, 07:05
Die Illusion scheint perfekt - drei Mieter, die aus den Fenstern ihrer Wohnungen schauen, allerdings ist alles nur gemalt (Archivfoto vom 24.10.2006). Die Fassade gehört zu den sechs Blöcken rund um die Hellersdorfer Promenade, die die österreichische Firma Level One bis Frühjahr 2008 zum «Europaviertel Berlin» machen will. (Foto: dpa)
Die Illusion scheint perfekt - drei Mieter, die aus den Fenstern ihrer Wohnungen schauen, allerdings ist alles nur gemalt (Archivfoto vom 24.10.2006). Die Fassade gehört zu den sechs Blöcken rund um die Hellersdorfer Promenade, die die österreichische Firma Level One bis Frühjahr 2008 zum «Europaviertel Berlin» machen will. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Künstler gestalten die 64 000 Quadratmetergroßen Fassaden mit bunten Motiven aus 45 Staaten. «Die 77 Läden aufder Hellersdorfer Promenade werden die Länder widerspiegeln», sagtBentzen. «Für Griechenland ist ein Tempel angedacht, für Frankreicheine Parfümerie, für Italien eine Piazza mit Café, für Holland einekleine Gracht.» Das Europaviertel soll nicht nur die Lebensqualitätder Anwohner verbessern, sondern auch Touristen anlocken.

Vorbild für das Projekt im Osten der Hauptstadt ist die Cité de laCreatión im französischen Lyon. «Dort gab es ähnlich wie hier einheruntergewirtschaftetes Plattenbauviertel», sagt Hartmut Lindemann,der die deutschen Maler in Hellersdorf betreut. Französische Künstlerverzierten dort die Fassaden mit Schnörkeln, Putten und Ornamenten.«Die Technik heißt "trompe l`oeil", was übersetzt Augentäuschungbedeutet», erklärt Lindemann. In Berlin soll jedes Segment ein Landdarstellen. «Es geht aber nicht nur um die Oberfläche», betont er.Das Projekt schaffe Arbeitsplätze und werde den Anwohnern neuesSelbstbewusstsein verschaffen. «Der kulturelle Aspekt kann wie inLyon dafür sorgen, dass die Ghettoisierung nicht weiterschreitet.»

Rund 15 Millionen Euro investiert die österreichische Level OneHolding GmbH in die Sanierung der Plattenbauten aus der Wendezeit.«Durch die Malerei entwickelt sich einfach ein Stolz bei denMenschen, selbst wenn sie Hartz IV-Empfänger sind», meintEuropaviertel-Geschäftsführer Andreas Wunderlich. Das Europaviertelwerde bis zu 200 Arbeitskräfte in der regulären Wirtschaft und rund100 in der Herstellungsphase beschäftigen. «Die Motive sollen füralle Menschen einfach zu erkennen sein.» Für Holland stehe etwa einKäsemarkt, für Großbritannien der rote Bus, für den Vatikan PapstJohannes Paul II. Die Bilder erinnerten an historische Altstädte.

An der Ecke Stendaler, Quedlinburger Straße gibt das erste Hauseinen Vorgeschmack: Ein Berliner Bär prangt auf dem Plattenbau,gemalte Menschen schauen von Balkonen. «Es ist gewöhnungsbedürftig,sich auf etwas Buntes in diesem grauen Viertel einzustellen», meinteine Anwohnerin. «Ich bin begeistert», sagt dagegen BrigitteWischnewski, die in der Gegend wohnt. «Ich würde mich freuen, wennunser Haus auch bemalt wird.» Auf der Hellersdorfer Promenade mit denGeschäften hofft Verkäuferin Evelyn Volkert auf mehr Kundschaft.«Viel kaufen kann ich nicht, weil das Geld fehlt», sagt aber WolfgangSchulz aus dem nahe gelegenen Hönow.

Die Mieten werden nach Angaben von Immobilienverwalter Bentzentrotz Befürchtungen einiger Anwohner wegen der Fassadenmalerei nichtsteigen. «Was wir hier machen, kostet die Mieter kein Geld», sagt er.«Das Europaviertel bringt Internationalität hierher», meintBezirksbürgermeister Uwe Klett (Die Linke/PDS), der für eine ViertelMillion Einwohner in Marzahn-Hellersdorf zuständig ist. Diese sei beidrei Prozent Ausländern und 20 000 Spätaussiedlern so nichtvorhanden. «Jugendliche und Arbeitslose aus dem Kiez werden selbstHand mit anlegen.» Auch wenn die Kaufkraft der Anwohner nichtausreiche, hofft Klett auf einen Imagewandel. «Das wichtigste undwertvollste für die Besucher ist, dass sie eine höhere Akzeptanz fürHellersdorf entwickeln - egal, ob sie einkaufen oder nicht.»

Die Promenade mit Einkaufsmöglichkeiten wollen die Investoren bis2008 fertig stellen, die Fassaden der 1134 Wohnungen bis 2010, sagtWunderlich. «Im nächsten Jahr wird es schon einen internationalenWeihnachtsmarkt geben.» Bis das Europaviertel in Reiseführernauftaucht, wird wohl noch einige Zeit vergehen. «Wenn ein Projektspektakulär genug ist, ist eine Entfernung zur Stadtmitte völligunerheblich», meint der Geschäftsführer. Den sozialen Aspekt wollendie Verantwortlichen nicht außer Acht lassen. «Das ist eine radikaleHerzoperation», sagt Wunderlich. «Das Europaviertel soll dem Bezirkeine Identität geben - ein emotionales Herz», meint Bentzen.