1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Berlin: Berlin: Der Potsdamer Platz ist eine Insel geblieben

Berlin Berlin: Der Potsdamer Platz ist eine Insel geblieben

Von Ulrike von Leszczynski 01.10.2008, 06:59
Von der Terasse 103 Meter hohen «Kollhoff-Towers» (l.) am Postdamer Platz Blick hat man einen Rundblick über das Stadtzentrum Berlins (Foto: dpa)
Von der Terasse 103 Meter hohen «Kollhoff-Towers» (l.) am Postdamer Platz Blick hat man einen Rundblick über das Stadtzentrum Berlins (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - 10 Jahre nach der Eröffnung am 2. Oktober 1998 ist der neu gebaute Potsdamer Platz an der Nahtstelle zwischen Ost und West eine Insel geblieben. Erst als größte Baustelle Europas bestaunt und alsPrototyp des «Neuen Berlin» gefeiert, bleibt er für vieleHauptstädter bis heute eine künstliche Welt. Doch für den Geschmack der Touristen scheint die Hochhaus-Kulisse gut zu funktionieren.

«Stadtsimulation», nennt der Berliner Stadtsoziologe HartmutHäußermann heute den Potsdamer Platz. Für den Professor an derHumboldt-Universität ist mit noblen Hotels, Kinopalästen,Musicaltheater, Einkaufszentrum oder Spielbank ein Stück Großstadt entstanden, das vor allem kommerziell geprägt und inszeniert ist. «Der Potsdamer Platz könnte auch anderswo liegen», ergänzt er. «Er lebt nicht aus seinen Bewohnern.»

Was nicht heißt, dass der Platz unbeliebt ist. «Viele mögen soetwas ja, siehe Las Vegas», sagt Häußermann. Das neue Berlinaber, das entstehe aus seiner Sicht in Mitte, Friedrichshain oder in Prenzlauer Berg. Dort, wo die Hauptstadt sich locker und weltoffen gibt - und sich Ost und West in Altbau-Kiezen neu gemischt haben.

Selbst die Berlinale mit ihrem Winterhauch von Internationalitäthat bisher nicht dazu geführt, dass der Potsdamer Platz mehr nach Berlin hineingewachsen ist. Das Filmegucken findet auf einer Festivalinsel statt, auf die Stars in Limousinen kutschiert werden. Auf dem roten Teppich vor dem gläsernen Berlinale-Palast wirken sie ein wenig wie Figuren aus der Truman-Show, um nach dem Auftritt schnell in die Clubs anderer Stadtteile zu entschwinden - ins reale Berliner Nachtleben.

Der Potsdamer Platz, der jahrzehntelang nur eine trostloseMauerbrache war und von seinem Mythos in den 20er Jahren zehrte, hat heute trotzdem viele Funktionen. Zum Wohnen gibt es teure Apartments, zur Fußball-WM versammeln sich Hunderte Fans vor großen Leinwänden. Gemütlichkeit aber ist schwer zu finden zwischen in den zugigen Straßen und Gassen. Viele Restaurants wirken so steif wie ihre gestärkten weißen Tischdecken. Die Architektur eines Renzo Piano, Helmut Jahn, Richard Rogers oder Hans Kollhoff allein reicht kaum, um dem Viertel ein Eigenleben zu schenken. Es wirkt als ob es nur Besuch bekommt.

Die Bauherrn Daimler und Sony, die Anfang der 90er Jahredie größte private Baustelle Europas samt roter Info-Box aus demBoden stampfen ließen, haben ihr Herz auch nicht an ihre Immobilien gehängt. Sie stießen ihre Quartiere im Frühjahr wieder ab. Eigentümer sind nun die Immobilienfondstochter der schwedischen SEB-Bank oder die Bank Morgan Stanley, die dafür fast 2 Milliarden Euro bezahlten. SEB will den Ort nun zu einer Marke entwickeln, mit dem etwas seltsamen Slogan «The Platz to be». Mit dem Geschäft sind dieSchweden zufrieden. 95 Prozent der Flächen seien vermietet, sagt eineSprecherin. Das zählt.

Einige Schmuckstücke des Platzes bröckeln allerdings schon wieder.Kollhoffs Hochhaus muss für rund 10 Millionen Euro von außen saniertwerden, weil die Fugen der markanten Backsteinfassade dem Wetternicht standhielten. Der Boden einer Tiefgarage hat Risse. Die Schädenwurden beim Verkauf bereits berücksichtigt, Ärger machen sie denneuen Herren des «Platz to be» also nicht. An diesem Samstag wollensie das 10-jährige Jubiläum feiern. Auf der Bühne am Marlene-Dietrich-Platz spielt am Abend als Attraktion die Mädchenband«Monrose» - vielleicht nicht zufällig eine Gruppe aus der Retorte.