1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Bundeswehr-Skandal Pfullendorf: Berlin: Bundestag beklagt verspätete Information im Bundeswehr-Skandal in Pfullendorf

Bundeswehr-Skandal Pfullendorf Berlin: Bundestag beklagt verspätete Information im Bundeswehr-Skandal in Pfullendorf

Von Steven Geyer 29.01.2017, 15:39
Bei der Bundeswehr in Pfullendorf gab es bereits letzten Sommer  Hinweise auf Missstände.
Bei der Bundeswehr in Pfullendorf gab es bereits letzten Sommer  Hinweise auf Missstände. Getty Images Europe

Berlin - Es war kurz nach 12 Uhr am Freitag, als das Verteidigungsministerium eine Pressemitteilung verschickte: Mit einigem Stolz ließ Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) verkünden, dass auf ihre höchstpersönliche Initiative „erstmalig ein Workshop ‚Sexuelle Orientierung und Identität in der Bundeswehr‘ stattfindet“ – um „Wissen in der Bundeswehr darüber zu verbreiten, wie ein Arbeitsumfeld gestaltet werden kann, in dem sich Bundeswehrangehörige gleich welcher sexuellen Orientierung und Identität respektiert fühlen“.

Wehrbericht zeigt 131 Missstände in der Bundeswehr auf

Wenn nun an diesem Dienstag in Berlin „mehr als 200 hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Militär sowie Angehörige sexueller Minderheiten“ zu dem Respekts-Workshop zusammenkommen, ist das genau eine Woche nach Veröffentlichung des neuen Wehrberichts um Missstände in der Bundeswehr. Darin wird beklagt, dass Mobbing und sexuelle Belästigung an der Tagesordnung seien. Die gemeldeten Fälle haben sich von 86 im Vorjahr auf 131 erhöht, die Dunkelziffer liege noch höher, hieß es: „Betroffene scheuen sich aus Sorge, berufliche oder persönliche Nachteile zu erleiden, nach wie vor,  Belästigungen anzuzeigen.“

Sexuelle Übergriffe in Ausbildungskaserne

Am Tag, als der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) das vortrug, hatte die Staatsanwaltschaft im schwäbischen Hechingen gerade ein Bündel Strafanzeigen von der Bundeswehr entgegengenommen: In der nahen Ausbildungskaserne für spezialisierte Sanitäter in Pfullendorf sei es zu sexuellen Übergriffen, Gewalt und Demütigung gekommen. Auch Vorgesetzte seien darin verwickelt. Der Wehrbeauftragte wusste das, erwähnte aber nichts – er habe die Ergebnisse der anhaltenden Ermittlungen abwarten wollen, sagte er dieser Zeitung.

Dass die Öffentlichkeit nun davon weiß, liegt offensichtlich allein daran, dass der „Spiegel“ den Skandal enthüllte. Erst danach – Stunden, nachdem es seinen Sexualitäts-Workshop angepriesen hatte – bestätigte ihn auch das Ministerium. Obwohl sie bereits seit dem Herbst davon wusste, verurteilte von der Leyen die Misshandlungen erst am Freitagabend als „widerwärtig“.

Selbst die Bundestagsabgeordneten im Verteidigungsausschuss und sogar die Obleute, die im ständigen Kontakt mit dem Ministerium sind, erfuhren erst nach dem Spiegel-Bericht davon: Generalinspekteur Volker Wieker informierte sie schriftlich – obwohl er da bereits Entlassungen und disziplinarische Schritte gegen die Täter eingeleitet hatte.

SPD kritisiert verspätete Unterrichtung

Wegen dieses Umgangs mit dem Skandal steht seit dem Wochenende auch von der Leyen in der Kritik: Nicht nur die  Opposition, auch der Koalitionspartner SPD beklagt die verspätete Unterrichtung. „Wieder einmal wurde das Parlament nicht rechtzeitig informiert, obwohl die Fakten schon seit einiger Zeit bekannt waren“, sagte SPD-Verteidigungsexperte  Rainer Arnold der Stuttgarter Zeitung. Er forderte eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses.

Bereits letzten Sommer Hinweise für frauenfeindliches Klima

Zudem berichtete er davon, dass sich Kommandierende der Kaserne bereits im vorigen Sommer vor eine Kontrolle durch und Kooperation mit dem Verteidigungsausschuss zu wehren versuchten. Es habe bereits früher Hinweise auf Missstände und frauenfeindliches Klima in der Kaserne gegeben.

Tatsächlich war das Ministerium war den Vorwürfen zwar frühzeitig nachgegangen, wie der Wehrbeauftragte Bartels dieser Zeitung bestätigte: Direkt, nachdem er im Oktober durch einen weiblichen Leutnant davon erfahren hatte, seien Stellungnahmen erbeten und ein Ermittlerteam ausgesendet worden. Das bestätigte die Schilderungen schnell: Rekruten seien gezwungen worden, sich zu entkleiden, nackt gefilmt und fotografiert worden, auch bei vermeintlichen Übungen, bei  denen ihnen Tamponade anal eingeführt worden sei. Zudem seien Frauen in der Kaserne zielgerichtet gemobbt worden. Der Staatsanwalt ermittelt wegen Verdachts auf Freiheitsberaubung, gefährliche Körperverletzung, Gewaltdarstellung und Nötigung.

Inzwischen wurde sieben Soldaten das Tragen der Uniform und die Ausübung des Dienstes untersagt, ihre Entlassung eingeleitet. Sieben weitere Soldaten werden versetzt.