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Berlin Berlin: Bezirksbürgermeister spricht Klartext

Von Burkhard Fraune 01.09.2011, 12:04
Heinz Buschkowsky (SPD), der Bürgermeister von Berlin-Neukölln, regiert Berlins schwierigsten Bezirk. (FOTO: DPA)
Heinz Buschkowsky (SPD), der Bürgermeister von Berlin-Neukölln, regiert Berlins schwierigsten Bezirk. (FOTO: DPA) dpa

Berlin/dpa. - Kurz vor der Wahl gibt es doch noch Gegenwind für Heinz Buschkowsky, den bundesweit bekannten Berliner Lokalpolitiker.Linksalternative hissten auf einem Einkaufszentrum in Neukölln die Fahne «Buskowsky-Basar» - weil der Bezirksbürgermeister sich über zu viel türkische Werbung aufregt. Da wollten sie ihn lächerlich machen.

Doch gerade das hat den SPD-Mann in die Talkshows der Republikgebracht: Dass er auf die «political correctness» pfeift und sagt,was er denkt - selbst, wenn er dabei übers Ziel hinaus schießt. Seit zehn Jahren ist der SPD-Mann Bezirksbürgermeister, und bei der Berlin-Wahl am 18. September tritt er noch einmal an.

Brennpunkt, soziales Pulverfass, Berlin ganz unten - so oder soähnlich gerät Neukölln immer wieder Schlagzeilen. Und dann istBuschkowsky zur Stelle und erklärt auf Fernsehschirmen, wie es dazukommt. Er hat «Multikulti» für gescheitert erklärt, fordertKita-Pflicht und Kindergeld-Kürzungen für Schulschwänzer.

Seine Genossen hat er damit oft genervt, doch amtsmüde ist er mit63 Jahren nicht. «Ich fühle den moralischen Druck», sagt er undspricht vom Drängen seiner Partei. Er meint aber auch: «Es kann nichtsein, dass irgendein Hubert Pumpelmus nun die Politik von HeinzBuschkowsky weiter macht und sie als seine verkauft.» AnSelbstbewusstsein fehlt es dem gebürtigen Neuköllner nicht.

Neulich hat er sich mit der gesamten Berliner Justiz angelegt. AlsSchlafmützen und Schwachmaten scholt er Richter via «Bild»-Kolumne.Weil die den Bußgeldbescheid für einen Neuköllner Wirt einstampften,dessen Kneipe eine 16-Jährige sturzbetrunken verlassen hatte. Esstellte sich heraus: Es fehlten die Beweise - und die NeuköllnerBehörde erschien gar nicht erst vor Gericht. Die SPD-Justizsenatorinund die Richter wuschen Buschkowsky daraufhin öffentlich den Kopf.

Ihn selbst focht das nicht an. «The big Buschkowsky» haben dreiDesigner auf Hemden gedruckt, dazu das Bild ihres Bürgermeisters. 15Euro das Stück. «Unser Bürgermeister ist authentisch und nimmt keinBlatt vor den Mund», schreiben sie. «Warum sollte Politik nichtwieder in Mode kommen?»

Designer gibt es in Neukölln noch nicht lange. Dort leben Menschenaus 160 Nationen, der Bezirk hat große Probleme. «Von 300 000Einwohnern sind 100 000 in Sozialtransfers», sagt der Rathauschef.«Darunter haben Sie die, die den Staat als eierlegende Wollmilchsausehen und ansonsten sagen "Scheiß Deutschland". Und Sie haben die,die sich den Buckel krumm machen.»

Doch an der Grenze zum angesagten Kreuzberg tut sich etwas. Esgibt Galerien, Bars und Ferienwohnungen. «Die Bohème hat unsentdeckt», sagt Buschkowsky, der mit seiner Leibesfülle und seinenKrawattennadeln nicht unbedingt dazu passt. Die Gründe für den Zulaufglaubt er zu kennen: «Die sind doch nicht da, weil sie Neukölln geilfinden, sondern weil die Mieten billig sind.»

Wieder ein klares Wort. Es gibt Sozialdemokraten, die ihremNeuköllner Zugpferd vorwerfen, dass er zu viel in den Medien rede undzu wenig auf Parteitagen. Sein Name fällt oft im Zusammenhang mit demvon Kirsten Heisig, der Richterin, die mit schneller Bestrafung dieSpirale von Gewalt und Verwahrlosung beenden wollte. Und er fälltzusammen mit dem von Thilo Sarrazin, dem Parteifreund, denBuschkowsky lange in Schutz nahm.

In der örtlichen CDU hält sich die Begeisterung über BuschkowsysProminenz in Grenzen. «Neukölln ist nicht die Summe allergesellschaftlichen Probleme Berlins», sagt Herausforderer MichaelBüge. Der Amtsinhaber trage ein falsches Bild nach außen. Und erwolle die Menschen mit Kita-Pflicht und ähnlichem bevormunden.

Auch Klaus Wowereit setzt eher auf Motivation als auf Zwang. Fürihn ist Multikulti nicht tot, sondern Realität. Kein Wunder, dassBerlins Regierender Bürgermeister mit seinem Parteifreund Buschkowskyimmer wieder uneins ist. Der Neuköllner hat ihr Verhältnis einmal«kritisch-solidarisch» genannt. Wowereit sagt: «entspannt,genossenschaftlich und freundschaftlich». Er bekomme von vielenSeiten Ratschläge, fügt er hinzu, könne aber nicht alle teilen. «Dassoll auch unter Genossen vorkommen.»