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Bilanz als Außenminister Außenminister Frank-Walter Steinmeier: Er ist den hohen Erwartungen nicht gerecht geworden

Von Steven Geyer 09.02.2017, 16:53
Bundespräsidentenkandidat Frank-Walter Steinmeier.
Bundespräsidentenkandidat Frank-Walter Steinmeier. AFP

Berlin - Es waren zwei Auftritte Frank-Walter Steinmeiers, die erstes Licht auf seine zweite Amtszeit als Außenminister warfen – und die aus heutiger Sicht, da er schon nicht mehr Chefdiplomat und noch nicht Staatsoberhaupt ist, damals wohl zu hohe Erwartungen geweckt hatten.

Der erste Auftritt war die Wiederkehr ins Auswärtige Amt: Im Dezember 2013, Schwarz-Gelb war abgewählt und die SPD zog erneut in eine Koalition unter Angela Merkel, übernahm Steinmeier das Ministerium wieder von Guido Westerwelle (FDP), unter dem die Beamten und Botschafter einen massiven Bedeutungsverlust innerhalb der Regierung wie auf der Weltbühne empfunden – und Steinmeier schmerzlich vermisst hatten: so tief eingearbeitet, so scharf in der Analyse, so angemessen im Auftritt. Findet sogar die Opposition. Bis heute. Trotz allem.

Wichtiger Auftritt in München

Der zweite Auftritt, der Steinmeiers zweite Legislatur hätte prägen sollen, folgte im Januar 2014: Vor 400 hochrangigen internationalen Gästen hielt er bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine vielbeachtete Rede. Zentraler Satz: „Deutschland muss bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und substanzieller einzubringen.“ Dass die Bundesrepublik künftig mehr Verantwortung in der Welt übernehmen müsse, war heftig umstritten – von Steinmeier aber vor allem als Programm einer „aktiven Außenpolitik“ gedacht: Deutschland solle international nicht mehr am Rand stehen und dem Konsens des Westens nur folgen, sondern selbstbewusst und gemäß seiner  Bedeutung in Europa öfter in der Vermittler- oder gar der Führungsrolle eine treibende Kraft sein. Steinmeier hatte sich das auch sich selbst für seine zweite Legislatur vorgenommen.

Pakt mit dem Iran

Lange sah es sogar so aus, als könne er diese anspruchsvolle Rolle füllen: So war es Mitte 2015 war es nicht zuletzt sein Verdienst, dass die Sensation gelang, den Iran in einem Pakt zur Aufgabe ihres Atom-Programms zu verpflichten. 13 Jahre hatten die  Verhandlungen gedauert – und Deutschland als einzigem Nicht-Mitglied des UN-Sicherheitsrats als wichtigem Teilnehmer: „Fünf plus Eins“, hieß das, und auch danach sollte die Bundesrepublik immer öfter das „plus Eins“ in der Runde der Weltmächte werden – oft, weil sie auf verschiedenen Seiten von Konflikten respektiert war.

Aber auch wegen Steinmeiers hervorragender Vernetzung und Vermittlerqualitäten. Das belegte schon kurz nach Amtsantritt sein bis heute dramatischster Einsatz – in Kiew. Auf Maidan eskalierten die Proteste gegen den ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch, es hatte bereits Dutzende Toten gegeben, da erfuhr Steinmeier – dank seiner guten Kontakte nach Russland – dass Moskau kompromissbereit wäre. Steinmeier hatte sich ohnehin vorgenommen, das „Weimarer Dreieck“ aus Deutschland, Frankreich und Polen als EU-Motor wiederzubeleben – und  bewegte mit den beiden Amtskollegen Janukowitsch zum Kompromiss.

Das Weimarer Dreieck ist tot

Es war nicht seine Schuld, dass der Maidan den Präsidenten dennoch stürzte, die Lage eskalierte und Russland schließlich die Krim annektierte. Wie erfolgreich er diesen Konflikt zu bearbeiten half, ist umstritten. Zwar war er auch beim Friedensabkommen von Minsk erneut eine prägende Kraft. Doch während Steinmeier selbst darauf verweist, ohne Minsk wäre der Krieg noch viel schlimmer, sehen Kritiker den Pakt längst als gescheitert.

So ging es Steinmeier immer wieder in diesen vier Jahren, in denen er 300 000 Flugkilometer zurücklegte und nächtelang verhandelte. Das Erreichte blieb brüchig – und dann wurde alles noch viel schlimmer.

Nicht nur das Weimarer Dreieck ist tot, seit in Polen die Rechten regieren. Die EU insgesamt, für deren Stärkung er endlich auch das Außenministerium wieder in Stellung bringen wollte, bröckelt, nicht erst seit dem Brexit, sondern auch wegen der Flüchtlingskrise. Für die hatte Steinmeier auch keine großen Würfe zu bieten. Er nannte den Syrien-Krieg früh eine Geschichte der verpassten Chancen – hatte aber, wie die meisten im Westen, im Gegensatz zu Putin auch keine klare Agenda jenseits der Eindämmung der Flüchtlingsströme.

Steimeier zeigt sich undiplomatisch

Zum EU-Pakt mit Erdogan steht er aber – nach seinem Ruf als „Putin-Versteher“ ein weiterer Fall, wegen dem ihm Kritiker vorwerfen, Autokraten zu sanft anzufassen. Steinmeier selbst hält – etwa auch in Sachen Iran oder Saudi-Arabien – die Bedeutung von  „anhaltenden Gesprächsfäden“ dagegen, der Basis jeder Diplomatie.

Dass er auch undiplomatisch sein kann, bewies er, als sich sein Wechsel nach Bellevue schon abzeichnete: Seinen Frust darüber, dass die OSZE als Bündnis des Westens über den Ukraine-Konflikte spaltete statt sich zusammenzuraufen, äußerte er offen. Ebenso den über die „Unverantwortlichen“ hinter dem Brexit. Donald Trump nannte er in dessen Wahlkampf gar einen Hassprediger. Dass Trump inzwischen schon in Aussicht gestellt hat, sowohl den Iran-Deal, als auch die von Deutschland vertretene Zwei-Staaten-Lösung für Nahost zu torpedieren, passt zu Steinmeiers Schicksal: Er hatte früh erkannt, dass die Welt aus den Fugen ist. Doch so sehr er sich auch mühte – bislang bleibt sie es.

Bundespräsidentenkandidat Frank-Walter Steinmeier.
Bundespräsidentenkandidat Frank-Walter Steinmeier.
dpa