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Aufbau Ost Aufbau Ost: Rufe nach wirtschaftlichen Freiräumen werden lauter

09.04.2004, 11:50
Bundesverkehrsminister Stolpe kritisiert seinen Parteifreund von Dohnanyi. (Foto: dpa)
Bundesverkehrsminister Stolpe kritisiert seinen Parteifreund von Dohnanyi. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - In der Diskussion um Kurskorrekturen beim Aufbau Ost werden die Rufe nach wirtschaftlichen Freiräumen für die neuen Länder immer lauter. Gleichzeitig wachsen die Bedenken gegen eine Sonderwirtschaftszone Ost. Das für den Aufbau Ost zuständige Ministerium von Manfred Stolpe (SPD) kritisierte die Diskussion um die Ost-Förderung und griff Regierungsberater Klaus von Dohnanyi an. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) warnte davor, die Ursachen für die Wirtschaftsmisere in den neuen Ländern zu sehen.

Das Stolpe-Ministerium nannte die Diskussion um die Förderung «abenteuerlich und dreist». Staatssekretärin Iris Gleicke (SPD) griff in der «Sächsischen Zeitung» von Dohnanyi an: «Da betreibt ein selbst berufener Experte bewusst oder unbewusst das Geschäft derer, die schon lange finden, dass es allmählich genug ist mit der Ostförderung.» Stolpe wies die Kritik des Beraterkreises an der Förderpolitik des Bundes zurück. «Ich hoffe, dass der Gesprächskreis Ost bald ein gemeinsames Ergebnis mit handfesten Ideen vorstellt und nicht weiter jeder einzeln an die Öffentlichkeit geht.»

FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt und Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sprachen sich gegen eine Sonderwirtschaftszone für die neuen Länder aus. «Diese alte Ost-West-Diskussion hilft nicht weiter. Ganz Deutschland sollte sich besser zu einer Modellregion entwickeln», sagte Gerhardt der dpa. Eine Sonderwirtschaftszone im Sinne eines Niedrigsteuergebietes ist laut Milbradt nicht umsetzbar.

«Das ist in der Praxis umständlich, und da kommen wir mit EU-Recht in Konflikt», sagte Milbradt den «Westfälischen Nachrichten». Er erneuerte seine Forderung nach mehr rechtlichen Freiräumen und weniger Bürokratie im Osten. Regierungsberater von Dohnanyi sagte der dpa, von einer Sonderwirtschaftszone sei nie die Rede gewesen.

Gerhardt und Unionsfraktionsvize Friedrich Merz (CDU) forderten eine Entbürokratisierung. Es entstünde eine ganz neue Dynamik, wenn die neuen Länder bei Genehmigungsverfahren, beim Tarifvertragsrecht oder beim Betriebsverfassungsgesetz vom Bundesrecht abweichen könnten. «Im Gegenzug müsste die finanzielle Förderung für die neuen Länder deutlich zurückgenommen werden», sagte Merz dem «Spiegel».

Stolpe kündigte in der Zeitung «Die Welt» an, trotz der künftigen Konzentration auf Wachstumsregionen auch weiterhin strukturschwache Gebiete im Osten zu fördern. Dagegen machte Gerhardt deutlich, dass er Stolpe für überfordert hält. «Es ist erkennbar, dass bei ihm eine gewisse Ermattung in der Aufgabenwahrnehmung da ist. Da fehlt Dynamik, um an die Aufgaben heranzugehen.»

Für von Dohnanyi ist eine Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West weiter realistisch. «Die Vorschläge der Kommission kommen 14 Jahre nach der Deutschen Einheit zwar spät, doch nicht zu spät.» Abermals plädierte der SPD-Politiker für eine Mitsprache der Bundesregierung bei der Verteilung der Fördermittel für den Osten. «Wenn die Länder allein entscheiden, drohen ungeeignete Kompromisse, Fehlinvestitionen, und die können wir uns nicht leisten.»

Aus Sicht des IWH darf sich das Krisenmanagement nicht allein auf den Osten konzentrieren. «Tatsächlich wendet Westdeutschland vier Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für die Transfers auf. Das ist keine Größenordnung, die Westdeutschland wirtschaftlich herunterzieht», sagte IWH-Präsident Rüdiger Pohl.

Wirtschaftskraft der neuen Bundesländer (Grafik: dpa)
Wirtschaftskraft der neuen Bundesländer (Grafik: dpa)
dpa