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Atomkraft Atomkraft: Garchinger Forschungsreaktor wird eröffnet

Von Jürgen Balthasar 02.06.2004, 07:29
Im Inneren des Forschungsreaktors FRM II in Garching bei München, wo Wissenschaftlern mit Neutronen (im Hintergrund das Becken der Neutronenquelle) Versuche im physikalischen und medizinischen Bereich betreiben (Foto vom 28.05.2004). Der Reaktor wird am 09.Juni 2004 offiziell eröffnet. (Foto: dpa)
Im Inneren des Forschungsreaktors FRM II in Garching bei München, wo Wissenschaftlern mit Neutronen (im Hintergrund das Becken der Neutronenquelle) Versuche im physikalischen und medizinischen Bereich betreiben (Foto vom 28.05.2004). Der Reaktor wird am 09.Juni 2004 offiziell eröffnet. (Foto: dpa) dpa

Garching/dpa. - Die Kritiker sind vom Sicherheitskonzept für denatomaren Forschungsreaktor FRM-II in Garching bei München nach wievor nicht überzeugt. Die bayerische Staatsregierung setzt dagegengroße Hoffnungen auf den 435 Millionen Euro teuren Reaktor, der am 9.Juni mit einem Festakt eröffnet werden soll. Die Vorbereitungen fürden Start der wissenschaftlichen Arbeit laufen bereits aufHochtouren. «Der Reaktor läuft sich warm», sagt Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU). Im Herbst soll die volle Leistung von 20 Megawatt erreicht sein und der Normalbetriebbeginnen.

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) ist sich sicher:«Mit dem FRM-II spielen wir in der Champions League und werden damitmaßgeblich an der internationalen Spitzenforschung teilhaben.» DerReaktor sei ein Meilenstein für den WissenschaftsstandortDeutschland. Der FRM-II eröffne völlig neue Möglichkeiten inMaterialforschung, Medizin und Biologie. Der Präsident derTechnischen Universität München, Wolfgang Herrmann sagt: «DerForschungsreaktor wird Magnet für die besten Köpfe sein.»

International ist der FRM-II jedoch umstritten, weil alsBrennstoff atomwaffentaugliches hochangereichertes Uran verwendetwird. Vor allem Kritiker in den USA sehen die Bemühungen torpediert,die Verbreitung des Bombenstoffes weltweit einzudämmen. Der Reaktorsoll der Forschung als Hochleistungsquelle für Neutronen zurVerfügung stehen und ist bereits seit 2001 fertig gestellt. Doch erstim Frühjahr 2003 hatte das Bundesumweltministerium nach langemTauziehen grünes Licht für die Inbetriebnahme gegeben. Damit konntedas bayerische Umweltministerium dann die Betriebserlaubnis erteilen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sei dem FRM-II aufgeschlossengegenüber gestanden, aber Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne)habe hinter den Kulissen immer gebremst, heißt es bei der bayerischenStaatsregierung. In Trittins Ministerium dagegen wurde wiederholtbetont, aus Bayern seien immer wieder unvollständige Unterlagen zurPrüfung eingereicht worden - deshalb habe das Verfahren so langegedauert.

Nach den Auflagen des Bundesumweltministeriums muss der FRM-II bis2010 auf weniger angereichertes, nicht atomwaffentaugliches Uranumgerüstet werden. Ob das technisch möglich ist, stehe aber nichtfest, betont Herrmann: «Forschung können Sie planen, die Ergebnissenicht.»

Die Kritiker bezweifeln die von offizieller Seite immer wiederbetonte hohe Sicherheit des Reaktors und befürchten bei Störfälleneine Freisetzung von Radioaktivität. Auch die Sicherheit gegenTerroranschläge sei nicht ausreichend geprüft worden, bemängelt derVorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern, Hubert Weiger, mit Blickauf die Anschläge in den USA vom 11. September 2001. Die Vorsitzendeder Initiative «Bürger gegen Atomreaktor Garching», Gina Gillig, gehtnoch weiter: «Die Prüfungen zur angeblichen Sicherheit gegenFlugzeugabstürze wurden schön gerechnet.»

Der neue Reaktor ist Nachfolger des FRM-I. Dieses so genannteAtom-Ei war im Juli 2000 nach mehr als 40 Betriebsjahren stillgelegtworden. Professor Winfried Petry, wissenschaftlicher Direktor desneuen Reaktors, ist optimistisch: «Der FRM-II wird der Keim fürweitere 40 Jahre Fortschritt sein.» Der Garchinger Forschungscampusmit vier Max-Planck-Instituten, dem bayerischen Institut fürTieftemperaturforschung sowie Forschungseinrichtungen der beidenMünchner Universitäten biete ein ideales interdisziplinäres Umfeld,sagt Goppel. «Der FRM-II wird als bayerische Initiative fürDeutschland in die Geschichte eingehen.»