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Atomenergie Atomenergie: Wieder Wirbel um Biblis A

Von Jan Brinkhus und Joachim Baier 10.05.2010, 15:54
Mit Gasmasken und Schutzanzügen demonstrieren Greenpeace-Aktivisten am 24.04.2010 beim Kernkraftwerk in Biblis gegen Atomkraft. (FOTO: DPA)
Mit Gasmasken und Schutzanzügen demonstrieren Greenpeace-Aktivisten am 24.04.2010 beim Kernkraftwerk in Biblis gegen Atomkraft. (FOTO: DPA) dpa

Wiesbaden/dpa. - Sonntagabend, kurz nach 18.00 Uhr: Währenddie Parteien die Ergebnisse der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalenentweder betrauern oder bejubeln, geht eine andere Nachricht imTrubel fast unter. Zwei der größten deutschen Energieunternehmenteilen kurz nach Schließung der Wahllokale den Abschluss einesziemlich dicken Geschäfts mit. RWE kauft seinem Konkurrenten Eon dienoch nicht genutzte Strommenge des stillgelegten Reaktors Stade ab,um damit seinen Atommeiler Biblis A in Südhessen länger betreiben zukönnen. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe? Rein zufällig, betonen beideUnternehmen. Die Verhandlungen seien erst kurz zuvor beendet gewesen.

Im Heimatland von Biblis A, wo die Atomenergie zu denumstrittensten Themen der Landespolitik gehört, mag man daran nichtso recht glauben. «Die Bekanntgabe des Vorhabens nach Schließung derWahllokale in NRW zeigt, wie das Unternehmen die Wirkung auf eineWahl einschätzt und wie schlecht das Gewissen von RWE bei dieserManipulation des Atomkonsenses ist», schimpft der SPD-Landtagsabgeordnete Norbert Schmitt auf RWE. «Eon weiß genau, dassdiese Meldung das desaströse Abschneiden von CDU und FDP nochverschlimmert hätte», argwöhnt Linken-Fraktionschefin Janine Wissler.

Wie auch immer: Mit dem Kauf des Stromkontingents, das nachInformationen der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung» einen mittlerendreistelligen Millionenbetrag gekostet hat, will RWE dieÜberlebenszeit von Biblis A verlängern. Eigentlich hätte der Reaktornach der Vereinbarung zum Atomausstieg schon längst vom Netz gemusst- wenn er denn die ganze Zeit mit voller Leistung gelaufen wäre. Denndas Ende von Deutschlands ältestem noch laufenden Atommeiler - wieauch der anderen Kernkraftwerke - berechnet sich nicht nach dem Alterdes Reaktors, sondern nach produzierter Strommenge.

Biblis A war aber zuletzt mehr als ein Jahr lang außer Betrieb undwurde erst Ende März wieder hochgefahren. Die Zeit sei fürVerbesserungen an der Sicherheit und für den Austausch der Brennstäbegenutzt worden, heißt es von Unternehmensseite. Seither läuft dieAnlage außerdem nur noch mit halber Kraft.

Dahinter dürfte auch das Kalkül stecken, die Abschaltung vonBiblis A zu verzögern, bis über eine Verlängerung der AKW-Laufzeitenentschieden ist. Das räumte RWE nach dem Deal mit Eon denn auchfreimütig ein: Man wolle vermeiden, dass Biblis A vom Netz gehenmüsse, bevor die politische Entscheidung über die Laufzeiten gefallensei.

Aus Sicht der Grünen ist dies unverantwortlich, zumal der Reaktorwegen Pannen schon häufiger in der Kritik stand. «Biblis A istkeineswegs sicher und gehört abgeschaltet», forderte die Grünen-Abgeordnete Ursula Hammann.

Während Opposition und Umweltschützer protestieren, atmet dieGemeinde Biblis auf. Für die 9000 Einwohner große Kommune ist dasKraftwerk der größte Arbeitgeber. Immerhin fließen jährlich rund 70Millionen Euro in die Region, sagt Bürgermeisterin HildegardCornelius-Gaus (parteilos). Sie hofft, dass der Atommeiler nun nochso lange läuft, bis das Energieversorgungskonzept der Bundesregierungvorliegt.