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Anschlag in Nizza Anschlag in Nizza: Trauer, die nicht mehr tröstet

Von Jutta Kramm 15.07.2016, 19:47
In Nizza herrschen Trauer und Entsetzen. Ein Attentäter macht am Nationalfeiertag einen Lastwagen zur Waffe.
In Nizza herrschen Trauer und Entsetzen. Ein Attentäter macht am Nationalfeiertag einen Lastwagen zur Waffe. EPA

Das Grauen hört nicht auf. Gerade erst hat Frankreich, die von islamistischem Terror traumatisierte Nation, vorsichtig aufgeatmet: Das EM-Fußballfest war weitgehend friedlich geblieben. Da erschüttert am höchsten Feiertag des Landes, am 14. Juli, ein Anschlag von unvorstellbarer Brutalität die Nation und mit ihr, schon wieder, müssen wir leider sagen, die Welt und dieses Mal auch ganz besonders Berlin.

Der Attentäter von Nizza, ein 31 Jahre alter Franko-Tunesier, möglicherweise war er ein Einzeltäter, hat einen Lkw zur Waffe gemacht und 84 Menschen binnen einer Minute in den Tod geschleift. Sie alle hatten zuvor zusammen auf der Strandpromenade der Stadt das Freiheitsfest gefeiert: junge Männer und Frauen, viele Familien mit kleinen Kindern, Singles und Paare, Touristen aus aller Welt wie Franzosen. Nicht ahnend, dass sie gerade wegen ihrer Feierfreude Ziel eines Mörders werden würden. 200 Menschen wurden verletzt, 50 von ihnen kämpften am Freitag in den Kliniken von Nizza um ihr Leben.

Angriff auf unsere Werte

Groß sind Schock und Trauer in ganz Frankreich. Auch Menschen aus vielen anderen Ländern sind gestorben bei dem Terrorakt. Denn es war, wie immer bei den Angriffen der vergangenen Monate – ob es nun in Paris war oder in Brüssel, in Orlando, Istanbul. Tel Aviv oder Beirut – auch dieses Mal ein bewusster Angriff auf die internationale Gemeinschaft und ihre unbeschwerte Lebensweise.

Deutschland hat bislang glücklicherweise noch keine schweren Terroranschläge erlebt. Auch die Stadt Berlin nicht. Aber dieses Mal sind Berlinerinnen unter den Opfern – eine Lehrerin und zwei junge Frauen, die gerade ihr Abitur an der Charlottenburger Paula-Fürst-Schule gemacht hatten. Schülerinnen, die, so stellen wir sie uns vor, bestimmt mit Lust, Energie und Neugier und sicherlich auch mit Ängsten, Hoffnungen und Ambitionen ihren nächsten Schritt ins Leben planten, die von Selbstständigkeit, Abenteuer und Freiheit träumten.

Trauer, die nicht mehr tröstet

Der Attentäter von Nizza hat in seinem Hass, wie all die anderen Terroristen, ein Zeichen gesetzt. Er wollte genau solche Hoffnungen vernichten und Angst verbreiten, einschüchtern, unsere Freiheit angreifen und unseren Lebensstil in Frage stellen. Und es ist leider wahr: Die unfassbare Serie der Attentate zwingt uns zu erkennen, dass es zur Zeit eben keine absolute Sicherheit und keinen perfekten Schutz gibt, an keinem Ort, nicht in der Großstadt und nicht am Strand, nicht am Flughafen und nicht im Zug.

Der Terror hinterlässt Spuren, er wirkt. Wer an die Opfer und ihre Familien denkt, spürt Bestürzung, Angst und Trauer, aber auch Wut und Hass. Wir haben längst Rituale eingeübt, die helfen sollen, den Horror zu verarbeiten: Politiker halten Trauerreden und beraten über noch mehr Kontrollen und bessere Sicherheitsmaßnahmen, Trauernde pilgern zum Brandenburger Tor und legen Blumen nieder. Wir beschwören unsere Freiheit. Doch das Ritual nutzt sich ab. Es tröstet nicht mehr.